Volksabstimmung über Stuttgart 21 rückt näher

16.09.2011 
Redaktion
 
Verkehrsminister Winfried Hermann ist für den Ausstieg. Foto: Privat

Stuttgart. Auf dem Weg zur geplanten Volksabstimmung über das milliardenschwere Bahnprojekt Stuttgart 21 ist die Landesregierung einen Schritt weiter gekommen. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) brachte an diesem Freitag in einer Sondersitzung des Stuttgarter Landtags den Gesetzentwurf des grün-roten Kabinetts zum möglichen Ausstieg des Landes ins Parlament ein.

Stuttgart 21 bringe verkehrsmäßig wenig, sei aber unfassbar teuer und nicht durchfinanziert, begründete Hermann die von der Landesregierung mehrheitlich beschlossene Gesetzesvorlage. Die zweite Lesung mit der Abstimmung ist am 28. September geplant. Stimmt dann, wie erwartet, die Mehrheit der Abgeordneten gegen das Kündigungsgesetz, kann der Landtag mit einem Drittel der Parlamentarier eine Volksabstimmung beantragen. Diese ist am 27. November vorgesehen.

«Wir müssen heute die Notbremse ziehen und kündigen und die unverantwortliche Fahrt ins finanzielle Desaster stoppen», sagte der Minister angesichts der seiner Meinung nach unsicheren Finanzierung des 4,1 Milliarden Euro teuren Vorhabens. Der Risikopuffer sei bereits aufgebraucht. «Die Kosten sind Premium, die Risiken abenteuerlich und der Nutzen bescheiden», argumentierte der Stuttgart 21-Gegner.

Hau spricht von Rechtsbruch und juristische Spiegelfechterei

Sprecher von CDU und FDP, aber auch vom Koalitionspartner SPD sprachen sich hingegen für den Bau von Stuttgart 21 aus. CDU-Fraktionschef Peter Hauk warf dem Verkehrsminister Rechtsbruch und juristische Spiegelfechterei vor. Gesetz und anschließende Volksabstimmung seien der verzweifelte Versuch der Regierung, den Koalitionsfrieden herzustellen. Hauk kritisierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne); dieser bringe nicht die Kraft zur Entscheidung auf und übernehme keine Verantwortung. «Spätestens beim Koalitionsvertrag hätte man sich wegen Stuttgart 21 festlegen müssen», sagt Hauk. Die Vorgehensweise um die Volksabstimmung sei eine «Politik mit der Brechstange». Sollte das Land aus den Verträgen aussteigen, koste dies mindestens 1,5 Milliarden Euro Schadenersatz, rechnete der CDU-Politiker vor. Damit sei die Regierung bereit, die doppelte finanzielle Last dem Land aufzubürden als bei einer Realisierung des Projekts. «Die Mehrheit der Bürger wird für Stuttgart 21 stimmen», prophezeite Hauk.

Nach Meinung von Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann bringt Stuttgart 21 «zu wenig Bahnhof für zu viel Geld». Der unterirdische Bahnhof sei ein Projekt des letzten Jahrhunderts und keines für die Zukunft. Außerdem sei die Geschäftsgrundlage aufgrund der gestiegenen Kosten nicht mehr gegeben. «Stuttgart 21 geht zu Lasten des Nahverkehrs und zu Lasten des Fernverkehrs», kritisierte Sitzmann. Deshalb sei der Kopfbahnhof die bessere Alternative: «Die funktionieren auch in London oder Paris.» Nun sei es höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen.

Schmiedel steht ohne Wenn und Aber zu Stuttgart 21

Dem widersprach Claus Schmiedel. Der SPD-Fraktionsvorsitzende, für sein Techtelmechtel mit der CDU in Sachen Kampagne für Stuttgart 21 vom Ministerpräsidenten Kretschmann ermahnt, schwor zunächst dem Koalitionspartner Treue («Rot und Grün bleiben beieinander»), bezeichnete in seiner Rede jedoch das Bahnprojekt als weitgehend alternativlos. «Deshalb kann man jetzt nicht mehr von vorne beginnen.» Die einzige Alternative hieße, «es kommt auf lange, lange Zeit nichts». Deshalb warb er vehement für den Bau: «Wer die Neubaustrecke will und die schnellere Anbindung an den Flughafen, der muss für Stuttgart 21 sein und das Kündigungsgesetz ablehnen.» Schmiedel warf der CDU/FDP-Vorgängerregierung vor, die von der SPD geforderte Volksabstimmung bereits in der vergangenen Legislaturperiode abgelehnt zu haben. Er forderte die Opposition auf, die Volksabstimmung nicht für parteipolitische Ziele, zu vereinnahmen. Die geplante Abstimmung hält der SPD-Politiker schon allein deswegen für notwendig, da die Mehrheit der Landesregierung für den Ausstieg des Landes, die Mehrheit im Landtag dagegen für das Projekt sei.

Hans-Ulrich Rülke, der Chef der FDP-Fraktion, bezeichnete Verkehrsminister Hermann als «Standortrisiko». Die Liberalen hätten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens und sehen darin einen «klaren Missbrauch des Parlaments». Hermann täusche, trickse und tarne. «Ich habe die Hoffnung, dass das Gesetz von der Bevölkerung beerdigt wird», sagte Rülke.

Gegen den Missbrauchs-Vorwurf verwahrte sich Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Die Regierung gehe verfassungsgemäß vor, erwiderte er. Die Landesregierung nutze in dieser Frage bewusst ein Instrument der Demokratie - auch, um die Auseinandersetzungen zu befrieden und ein Ergebnis nach einem Demokratieprozess zu akzeptieren.


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