Kahlschlag bei Bundeswehr im Südwesten

27.10.2011 
Redaktion
 

Stuttgart/Berlin. Baden-Württemberg bekommt die Bundeswehrreform mit voller Härte zu spüren. Vier Standorte werden komplett geschlossen. Mehrere weitere werden dermaßen stark reduziert, dass dort bloß noch wenige Soldaten oder zivile Angestellte verbleiben. Das teilte das Bundesverteidigungsministerium an diesem Mittwoch in Berlin mit. Die Reform wird allerdings über mehrere Jahre gestreckt.

Bundesweit werden 31 von rund 400 Kasernen geschlossen.Die Kasernen in Sigmaringen, Immendingen (Kreis Tuttlingen), Mengen/Hohentengen (Kreis Sigmaringen) und Hardheim (Neckar-Odenwald-Kreis) gibt die Bundeswehr ganz auf. Ellwangen (Ostalbkreis) und Meßstetten (Zollernalbkreis) werden stark verkleinert.

Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur dpa liegt der Südwesten bundesweit an vierter Stelle beim Wegfall der Dienstposten: 38 Prozent der heutigen Stellen werden gestrichen oder verlagert. An der Spitze steht das Saarland mit fast 50 Prozent vor Schleswig-Holstein, das die meisten Standorte verliert. Auf dem dritten Platz ist Bayern.«

Freud und Leid für Baden-Württemberg

„Die Sachen mussten im Kern so gemacht werden“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu den Reformentscheidungen von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Ein echter Lichtblick sei die Rettung und Stärkung des Standorts Stetten am kalten Markt. „Das Ergebnis heißt Freud und Leid für Baden-Württemberg.“ Kretschmann räumte aber auch ein: „Wir sind schon stark gerupft worden.“ Vor allem die Schließung der Kaserne in seiner Heimat Sigmaringen sei „wirklich dramatisch“.

Sigmaringen ist einer der größten Standorte bundesweit, die der Reform zum Opfer fallen. Bislang sind hier 1860 Soldaten und andere Bundeswehrangehörige stationiert. Geschlossen wird die Graf-Stauffenberg-Kaserne allerdings frühestens 2017, wie Generalmajor Erhard Bühler sagte. Davor stünden unter anderem noch einige Auslandseinsätze an. Dennoch: der Landkreis Sigmaringen leide besonders, erklärte Landrat Dirk Gaerte (CDU). Die Zahl der Dienstposten werde quasi von 5000 auf 2640 halbiert. „Ich bin sehr enttäuscht und geschockt“, teilte er mit.   

Bundesverteidigungsminister: Streichliste unvermeidlich

Laut der von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) als „unvermeidlich“ bezeichneten Streichliste entfallen zudem unter anderem in Immendingen 970, in Hohentengen 820 und in Hardheim 980 Dienstposten der Truppe. In der Kaserne in Ellwangen bleiben nach der Entscheidung von 1340 Soldaten noch 30, in Meßstetten von 840 nur noch 20. Der Standort in Karlsruhe wird von 360 Soldaten auf 150 reduziert; in Stuttgart bleiben von 980 noch 440 übrig. Der Standort Ulm wird ebenfalls verkleinert: Von 3220 auf 2220 Soldaten. Auch in Heidelberg bleiben lediglich wenige Dienstposten.

Aus Kretschmanns Sicht hätte es aber noch schlimmer kommen können — für das strukturschwache Stetten am kalten Markt (Kreis Sigmaringen) wäre ein Aus für die Kaserne noch dramatischer gewesen, erklärte der Regierungschef. Er schloss ein stärkeres finanzielles Engagement des Landes in den kommenden Jahren bei der Konversion nicht aus.   

Schmid: Kein weiteres Geld im Haushalt veranschlagt

Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) sagte, das Land werde die Schließung von vier Kasernen zunächst nicht mit zusätzlichem Geld abfedern: „Im Haushalt ist kein weiteres Geld veranschlagt.“ Es gehe jetzt darum, bestehende Landesprogramme zu bündeln, um den betroffenen Standorten zu helfen.

Innenminister Reinhold Gall (SPD) sprach von „einschneidenden Veränderungen“ und ergänzte: „Das Thema Leid ist bei mir etwas übergewichtig.“ Paradoxerweise sei es aber nun so, dass auch wirtschaftlich stärkere Orte wie Laupheim von der neuesten Reform profitierten — dabei sei es für die Bundeswehr auch um das Ausbildungsniveau vor Ort gegangen.

CDU macht Versäumnisse der Landesregierung aus

Die CDU machte indes Versäumnisse bei der Landesregierung aus. „Baden-Württemberg wird in besonderem Maße von den heute verkündeten Standortschließungen bei der Bundeswehr getroffen“, erklärte Fraktionschef Peter Hauk. Grüne und SPD seien keine glaubwürdigen Fürsprecher der Soldaten — so hätten sich Anhänger der Grünen Jugend und der Jusos bei öffentlichen Gelöbnissen falsch verhalten.  

FDP-Landeschefin Birgit Homburger sprach von einer „riesigen Herausforderdung für die Regionen“. Sie bemängelte, die Entscheidungen des Verteidigungsministers seien „rein exekutiv“ getroffen worden. Lediglich die Ministerpräsidenten der Länder seien einbezogen worden, der Bundestag und der Landtag hingegen nicht.

Stetten am kalten Markt wird aufgestockt

Auch der Sigmaringer Bürgermeister Thomas Schäfer (parteilos) kritisierte mangelnde Transparenz: „Dies ist ein Schlag ins Gesicht für die Angehörigen der Bundeswehr, unabhängig davon ob militärisch oder zivil, sowie für den Gemeinderat Sigmaringen.“ Der Biberacher Landrat Heiko Schmid (parteilos) zeigte sich erleichtert, dass der Hubschrauberstandort Laupheim erhalten bleibt. Dieser war ebenfalls in der Schließungsdiskussion genannt worden.

Aufgestockt wird hingegen Stetten am kalten Markt: Hier werden künftig 2330 statt 1640 Mann stationiert sein. Von Immendingen werden Soldaten nach Stetten am kalten Markt verlagert. In Immendingen ist damit der Weg frei für eine Auto-Teststrecke. Daimler wolle sich mit seinen Planungen bloß noch auf diesen Standort konzentrieren, teilte der Autobauer mit.

Immendingens Bürgermeister Markus Hugger (CDU) begrüßte die Planungen: „Mit der Ansiedlung von Daimler hat unsere Gemeinde die einmalige Chance, sich vom Garnisonsstandort zum Wirtschaftsstandort zu entwickeln.“ Die Gemeinde hatte sich in einem Brief an de Maizière (CDU) dafür ausgesprochen, die Kaserne zu schließen.


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