Telefon- und Videokonferenzen kommen in Gemeindeordnung nicht vor

17.04.2020 
Redaktion
 

Foto: dpa/ Süddeutsche Zeitung Photo

STUTTGART. Edgar Wunder vom Landesvorstand des Vereins „Mehr Demokratie“ stellt infrage, ob die aktuell gültigen Hinweise des Innenministeriums zur Durchführung von Gemeinderats- und Kreistagssitzungen in Einklang mit der Gemeindeordnung stehen.

Das Ministerium hatte Ende März bekanntgegeben, dass die Gremien während der Corona-Pandemie auch per Telefon- und Videokonferenz tagen könnten. Die Konferenz sollte für die Öffentlichkeit in den Ratssaal übertragen werden. Die Maßnahmen sollten per Erlass in die Corona-Verordnung aufgenommen werden.

Parlament war an Verordnungen nicht beteiligt

Das Ministerium könne nicht per Verordnung etwas verfügen, was in der Gemeindeordnung gar nicht drin stehe, kritisiert Wunder. Aus seiner Sicht trifft das auf Video- und Telefonkonferenzen zu. Inhaltlich sei das zwar sinnvoll, aber beschließen müsse so etwas der Landtag. „Ansonsten wäre das gesetzeswidrig.“ Tatsächlich hat der Landtag mit Blick auf die Pandemie unter anderem beschlossen, dass von einer Naturkatastrophe auszugehen ist. An den Verordnungen war das Parlament nicht beteiligt.

Fasse der Landtag zur Frage von Gremiensitzungen keinen Beschluss, dass solche Konferenzen möglich seien, „hebeln wir die Demokratie aus“, betont Wunder, selbst Gemeinderat der Linken in Edingen-Neckarhausen und Kreisrat des Rhein-Neckar-Kreises.

Aus der Gemeindeordnung sei ableitbar, dass Gemeinderäte persönlich anwesend sein müssten. Bisher sei völlig unstrittig gewesen, dass Telefon- und Videokonferenzen kein Mittel seien, um ordnungsgemäß zusammenzutreten. Den Vorschlag des Ministeriums, die Konferenzen für die Öffentlichkeit in einen Ratssaal zu übertragen, hält er für „Quatsch“. Eine Übertragung im Internet halte er für viel sinnvoller. Datenschutzprobleme sieht er nicht.

In der Vergangenheit haben Kommunen vielfach Anträge von Fraktionen abgelehnt, die sich für eine solche Übertragung starkgemacht hatten. Die Verwaltungen hatten auf Datenschutzprobleme und eine potenzielle Verletzung von Persönlichkeitsrechten verwiesen.

Wunder plädiert dafür, in der aktuellen Lage danach zu schauen, was die bestehende Gesetzeslage für Möglichkeiten eröffnet. Sein Vorschlag lautet, eine zeitversetzte Übertragung durchzuführen oder die Sitzungen aufzuzeichnen und dann anschließend im Internet bereitzustellen.

Ausführliches Protokoll zum Nachlesen

Für alle, die diese Möglichkeit nicht hätten, könne ein ausführliches Protokoll zum Nachlesen erstellt werden. „Wenn ich ein bisschen kreativ bin, komme ich da auf viele Ideen“, sagt Wunder.
Zu viel Kreativität beweisen seiner Ansicht nach aktuell die Kommunen, die „absichtlich“ Notfallsitzungen von Gemeinderäten mit mindestens drei Personen herbeiführen, um Beschlüsse fassen zu können. „Faktisch ist ein Gemeinderat dann nicht funktionsfähig, er kann auch nicht diskutieren.“

Das „Mehr Demokratie“-Vorstandsmitglied geht fest davon aus, dass nach der Pandemie die Diskussion geführt werden muss, wie die Gemeindeordnung geändert werden kann, damit die kommunalpolitische Arbeit auch in solchen Krisensituationen rechtssicher stattfinden kann.

Den aktuellen Beschluss des Landtags dazu können Sie hier nachlesen.

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