Rügt ein Bieter einen (vermeintlichen) Vergabeverstoß gegenüber dem Auftraggeber ohne Erfolg, steht ihm der Weg zur Vergabekammer offen.
Beginn des Verfahrens
Ein Nachprüfungsverfahren wird eingeleitet durch einen Nachprüfungsantrag bei der örtlich zuständigen Vergabekammer (§§ 156 Abs. 1, 159 GWB). Ein eingereichter Antrag bei der falschen Kammer ist jedoch nicht unzulässig, sondern wird an die örtlich zuständige Kammer verwiesen.
Verfahren vor den Vergabekammern sind gebührenpflichtig, sodass mit der Antragseinreichung ggf. ein Gebührenvorschuss zu entrichten ist. Es besteht kein Anwaltszwang, sodass der Antrag selbst gestellt werden kann. Er ist in Schriftform einzureichen (§ 161 Abs. 1 Satz 1 GWB) und muss begründet werden. Wichtig ist, dass dem Antrag klar zu entnehmen ist, was der Antragsteller begehrt und in welchen eigenen bieterschützenden Rechten er sich verletzt sieht.
Prüfung durch Vergabekammer
Zunächst prüft die Vergabekammer allein auf Grundlage der Antragsschrift, ob der Nachprüfungsantrag offensichtlich unzulässig und/oder unbegründet ist. Ist dies der Fall, nimmt die Kammer Kontakt zum Antragsteller auf.
Ist der Antrag nicht offensichtlich unzulässig und/oder unbegründet, wird dieser dem öffentlichen Auftraggeber übermittelt. Im Zeitpunkt des Zugangs des Nachprüfungsantrags beim Antragsgegner entfaltet sich das (vorläufige) Zuschlagsverbot.
Gleichzeitig mit Übermittlung des Antrags fordert die Vergabekammer beim Auftraggeber die Vergabeakte(n) an, die sofort zur Verfügung zu stellen sind (Frist ca. 2-3 Werktage), und fordert den Auftraggeber dazu auf, auf den Nachprüfungsantrag zu erwidern (Frist etwa 1-2 Wochen).
Da die Bieter aufgrund des Geheimwettbewerbs meist nur wenige Informationen über den Verlauf und die Entscheidungen im Vergabeverfahren haben, können sie Akteneinsicht beantragen. Liegen dem Gericht Vergabeakten und Einsichtsantrag vor, wägt diese die widerstreitenden Interessen (Einsichts-/Informationsrecht vs. Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) ab, ob Akteneinsicht vollständig, teilweise (mit geschwärzten/unkenntlich gemachten Stellen) oder gar nicht gewährt wird.
Gang des Verfahrens
Vergabenachprüfungen sind zunächst schriftliche Verfahren. Die Vergabekammer übermittelt einen Schriftsatz jeweils der Gegenseite und gibt dieser unter Fristsetzung die Möglichkeit Stellung zu nehmen. Parallel wird bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung bekannt gegeben (§ 166 GWB).
Kann der Sachverhalt im schriftlichen Verfahren ausreichend erforscht werden oder ist nur eine rechtliche Wertung strittig, kann auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden. Im Regelfall findet jedoch eine mündliche Verhandlung statt. Diese beginnt damit, dass die Vergabekammer in den Sachverhalt einführt und anschließend mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Am Ende der mündlichen Verhandlung stellen die Beteiligten ihre Anträge oder verweisen auf ihre Anträge in den Schriftsätzen.
Im Vergabenachprüfungsverfahren erforscht die Kammer den im Verfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt von Amts wegen (insbesondere anhand der Schriftsätze und der Vergabeakte).
Da das Verfahren jedoch möglichst schnell ablaufen soll (denn bis zum Verfahrensabschluss besteht Zuschlagsverbot), besagt der sogenannte Beschleunigungsgrundsatz, dass die Vergabekammer ihre Entscheidung innerhalb von fünf Wochen ab Eingang der Antragsschrift treffen und schriftlich begründen muss. Eine Fristverlängerung ist hierbei zwar möglich, soll jedoch zwei weitere Wochen nicht überschreiten (§ 167 Abs. 1 Satz 3 GWB).
Entscheidung der Vergabekammer
Die Vergabekammer entscheidet durch einen schriftlichen und begründeten Beschluss, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen (z. B. durch Wiederholung einzelner Schritte, Rückversetzung des Vergabeverfahrens in einen früheren Stand).
Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht durch Verwaltungsakt, § 168 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Vollstreckung richtet sich deshalb nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder. Werden die Anordnungen der Vergabekammerentscheidung nicht befolgt, drohen Zwangsgelder.
Der Beschluss muss neben der inhaltlichen Begründung der Entscheidung auch eine Rechtsmittelbelehrung enthalten, die darüber informiert, dass gegen die Entscheidung binnen zwei Wochen ab Zugang eine sofortige Beschwerde beim Vergabesenat des örtlichen Oberlandesgerichts eingelegt werden kann.
Unterbleibt eine sofortige Beschwerde, wird der Beschluss der Vergabekammer bestandskräftig. Andernfalls übernimmt das Beschwerdegericht. Unterliegt der Auftraggeber hier, gilt das Vergabeverfahren gem. § 177 GWB nach Ablauf von zehn Tagen nach Zustellung der Entscheidung als beendet.
Hält es die sofortige Beschwerde für begründet, hebt es die Entscheidung der Vergabekammer auf. In diesem Fall kann das Beschwerdegericht in der Sache selbst entscheiden, oder die Vergabekammer verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts erneut zu entscheiden.
Über den Autor:
Melina Eberts, LL.M. ist Rechtsanwältin in Heppenheim mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und Bau- & Immobilienrecht. Sie berät ihre Mandanten insbesondere bei der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung. Als freie Mitarbeiterin unterstützt sie die Redaktion von „ibr-online“ und „vpr-online“ und ist Ansprechpartnerin für das Vergaberecht. Dabei bereitet sie aktuelle gerichtliche Entscheidungen auf und betreut die Online-Dienste, sowie die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift „VPR – Vergabepraxis & -recht“.
Kontakt:
Melina Eberts
Telefon 062 52.59 06 30
Telefax 062 52.59 06 363
eberts(at)kanzlei-heppenheim.de
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