Jahrelang war in Celle, der 70.000-Einwohner-Stadt in Niedersachsen, ergebnislos über ein Einkaufszentrum diskutiert worden. Nun sollte zumindest die historische Fachwerkstadt erhalten und zeitgemäß weiterentwickelt werden. Für die auf zehn Jahre angelegte Sanierung des Stadtkerns wurde ein treuhänderischer Träger durch eine europaweite Ausschreibung gesucht. Bei Vorbereitung und Durchführung des im Januar gestarteten Vergbeverfahrens bediente sich die Vergabestelle, wie dies bei Vorhaben dieser Art häufig der Fall ist, der Unterstützung eines auf diesem Gebiet erfahrenen Architekten.
Der gelungene Start und die nach außen bisher scheinbar reibungslos verlaufene Vergabe geriet Ende Juni jedoch ins Stocken, weil ein wichtiger Grundsatz des Vergaberechts unberücksichtigt geblieben war. Dieser lautet, dass niemand an einem Wettbewerb teilnehmen darf, der an Vorbereitung und Durchführung auf Auftraggeberseite teilgenommen hat.
Dies war in Celle jedoch der Fall gewesen: Der die Stadt Celle beratende Architekt arbeitete seit Jahren eng mit der Firma BauBeCon Sanierungsträger GmbH aus Bremen zusammen, die den Zuschlag erhalten sollte. Der angesichts dieser Sachlage unvermeidliche Nachprüfungsantrag kam für die Vergabestelle nicht überraschend.
Denn bereits unmittelbar nachdem Mitbewerbern im Mai die Vergabeabsicht bekannt geworden war, hatte die Gesellschaft für Ortsentwicklung und Stadterneuerung mbH (GOS) aus Kiel einen Verstoß gegen den Grundsatz des freien und fairen Wettbewerbs gerügt, weil an „dessen Vorbereitung und Durchführung auf Auftraggeberseite eine gemäß Paragraf 16 Vergabeverordnung auszuschließende Person“ teilgenommen habe.
Auf diese Rüge reagierte die Vergabestelle zunächst genauso ungerührt wie bereits im Januar auf die an sie gestellte Frage, ob sichergestellt sei, dass bei der Durchführung der Vergabe keine mit zu erwartenden Bewerbern wirtschaftlich eng verflochtene Unternehmen beauftragt seien. Die Vergabekammer Lüneburg bestätigt die Auffassung des Konkurrenten aus Schleswig-Holstein, der zudem bereits Schadenersatzforderungen für ihre Aufwendung bei der Erstellung des Angebots angekündigt hat (Beschluss vom 12. Juli VgK-19/2011).
Ein Auftraggeber müsse sicherstellen, dass ein Berater weder unmittelbar noch mittelbar an der Vergabe beteiligt ist. „Dies ist der Fall, wenn das zur Beratung herangezogene Architekturbüro zu einem der Bieter eine dauerhafte Geschäftsbeziehung unterhält.“ Nicht überzeugen konnte die Vergabestelle damit, dass ihr Berater bei der konkreten Bewerbung nicht tätig gewesen sei. Denn in diesen Fällen sei, so die gravierende Aussage der Vergabekammer, die Vermutung der Voreingenommenheit nicht widerlegbar. Daher konnte der Auftrag mit einem Volumen von rund acht Millionen Euro nicht an BauBeCon vergeben werden. Sie hatte in Celle bereits einige Sanierungen realisiert, was zur Favoritenrolle bei der Vergabe beitrug.
Nun sah sich die Vergabestelle gezwungen, das laufende Verfahren zu beenden. Sie wird es vollständig ohne Teilnahme des sie bei der Ausschreibung beratenden Architekten wiederholen. Damit soll „jeglicher Anschein mangelnder Neutralität im Ansatz“ vermieden werden, so die Vergabestelle in ihrer Mitteilung.
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