Wenn öffentliche Auftraggeber eine Ausschreibung aufheben müssen, birgt das erhebliche Risiken: Eine Aufhebung kann zu größeren Verzögerungen und zu Mehrkosten führen. Davon abgesehen kann der Vertrauensverlust auf Seiten der Bieter enorm sein.
Das Vergaberecht sieht drei wesentliche Möglichkeiten vor, die Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags wieder aufzuheben. Benannt sind diese in Paragraf 17 der Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen (VOB) und Dienst- und Lieferleistungen (VOL). Demnach können Ausschreibungen aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den vorgegebenen technischen oder rechtlichen Bedingungen entspricht, wenn die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen oder „andere schwerwiegende Gründe“ bestehen.
Wenn ein Verfahren aufgrund von schwerwiegenden Gründen aufgehoben werden soll, müssen vonseiten der Rechtsprechung besondere Anforderungen erfüllt sein. Neben schweren rechtlichen Fehlern, zum Beispiel die Missachtung, eine Ausschreibung europaweit zu tätigen, können auch Mehrkosten angeführt werden, die aufgrund von Verzögerungen im Verfahren zustande kommen. Etwa dann, wenn sich gravierende Änderungen bei der Ermittlung von Kosten ergeben. Das ist vor allem bei der Vergabe von Bauleistungen relevant. Übersteigen die Kostenangaben in Angeboten die vom Auftraggeber ermittelten Vorgaben ein bestimmtes Maß, wäre dies ein Grund für eine rechtskonforme Aufhebung. Entscheidend dabei ist allerdings, um wie viel Prozent die Angaben differieren müssen, bevor es zur Aufhebung kommen kann.
In mehreren Urteilen schwanken die Angaben zwischen zehn und 16 Prozent. Letzterer Wert stammt aus einem Urteil aus dem Jahr 2009 des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Gegenstand des Streits war die Sanierung von Laborgebäuden an einer Universität. In einem anderen Fall aus dem April 2012 legte die Vergabekammer Brandenburg in Potsdam einen Wert „erst jenseits einer Abweichung von zehn Prozent“ fest, der für eine Aufhebung ausreicht.
Dabei ging es um den Neubau eines Bettenhauses für ein Klinikum und die Umstrukturierung verschiedener Altbaubereiche. Bedeutsam war hier, dass die Arbeiten in mehrere Lose aufgeteilt waren und eine Gesamtschau aller Lose nötig ist, um die Abweichung zu berechnen. Eine Überschreitung der Werte bei einem einzelnen Los reicht nicht aus.
Noch komplizierter wird es allerdings, wenn ein Auftraggeber eine Ausschreibung aufhebt, obwohl die schwerwiegenden Gründe gar nicht vorliegen. Nach einer aktuellen Entscheidung der Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt in Bonn wäre eine solche Vorgehensweise zwar rechtswidrig, am Ende könnte sie aber doch als wirksam bewertet werden. Und zwar dann, wenn der öffentliche Auftraggeber zumindest einen sachlichen Grund anführen kann, der die Aufhebung rechtfertigt. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Verfahrensfehler festgestellt würde und das Verfahren deshalb ohnehin von Neuem aufgerollt werden müsste. Im konkreten Fall aber, über den die Vergabekammer zu entscheiden hatte, war das nicht der Fall. Es ging dabei um die Aufhebung eines Verfahrens zur Vergabe von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen.
Grundsätzlich hat der Auftraggeber bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Ausschreibungsverfahrens einen Ermessensspielraum. Bei den einschlägigen Paragrafen in den Vergabeordnungen handelt es sich um sogenannte Kannbestimmungen. Ein Auftraggeber ist also nicht in jedem Fall gezwungen, ein Vergabeverfahren ohne Entscheidung zu beenden, wenn einer der Tatbestände für eine Aufhebung erfüllt ist.
Wenn bei einer Weiterführung des Verfahrens aber Gefahr besteht, dass gegen grundlegende Prinzipien des Vergaberechts wie das Wettbewerbs- oder Gleichbehandlungsgebot verstoßen wird, kann aus dem Ermessen eine Pflicht erwachsen. Dann muss die Ausschreibung aufgehoben werden.
Die rechtliche Grundlage für eine Aufhebung de Ausschreibung steht in der VOB, Teil A, Paragraf 17. Dort ist zu lesen:
(1) Die Ausschreibung kann aufgehoben werden, wenn,
1. kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht,
2. die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen,
3. andere schwer wiegende Gründe bestehen.
(2) Die Bewerber und Bieter sind von der Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der Gründe, ggf. über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, unverzüglich in Textform zu unterrichten.
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