Ein Aspekt dominierte den 14. Vergabetag in Stuttgart. Moderator Andreas Nußbaum, Vorstandsmitglied der Ingenieurkammer Baden-Württemberg, betonte ihn gleich bei seiner Begrüßung: „Der Stichtag 18. April 2016 ist im Fokus.“ Zu diesem Zeitpunkt sind die drei neuen EU-Richtlinien über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen in deutsches Recht umzusetzen.
Mit der Reform soll der Rechtsrahmen für die öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland umfassend modernisiert, vereinfacht und anwenderfreundlicher gestaltet werden. „Öffentliche Auftraggeber und Unternehmen sollen künftig mehr Flexibilität bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erhalten“, heißt es vonseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, das den deutschen Entwurf vorbereitet hat.
Mehrere Referenten widmeten sich in Stuttgart in ihren Vorträgen der Novellierung des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Sie stellten dabei fest, dass – bei allen Neuerungen – in dem komplexen Rechtsgebiet der Vergabeverordnung zum Teil lediglich Stellschrauben festgezogen werden. Diese seien zwar wichtig, wie zum Beispiel die Kodifizierung von EU-Vorgaben, jedoch durch die EuGH-Rechtsprechung bereits vorgegeben.
Hans-Josef Benker vom Hochbauamt der Landeshauptstadt Stuttgart – Dienstleistungszentrum Bauvertragswesen, erläuterte zum Beispiel, wie Qualität als Zuschlagskriterium bei VOF-Verfahren gesichert werden kann. Ein Ziel der neuen Vergaberichtlinien, die Vereinfachung von Verfahren, steht in Stuttgart schon länger auf der Agenda. Nun sieht sich Benker bestätigt. „Wir haben die Anforderungen bei VOF-Verfahren bereits reduziert“, erläutert er. Etwa bei den Auswahl- und Eignungskriterien. Denn die Bewerber füllten einen Bewerbungsbogen in Form einer Excel-Tabelle selbst aus, die Eignung sei für sie damit sofort sichtbar. Die Eigenerklärung umfasse nur eine halbe Seite, insgesamt hätten die Unterlagen lediglich vier Seiten. „Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht“, so Benker.
Auch die bei der Neuregelung der Vergabeverordnung (VgV) beabsichtigte Flexibilität für den öffentlichen Auftraggeber sieht Bender als Festschreibung und Bestätigung bisheriger Praxis. Auftraggeber dürfen künftig direkt die persönliche Qualifikation ihrer Dienstleister abfragen und bewerten. Das heißt, personenbezogene Wertungskriterien sind im VOF-Verfahren definitiv zulässig. „Wir sehen aufgrund der neuen Regelungen keinen Bedarf, unsere Kriterium anzupassen“, erläutert er, die persönliche Qualifikation der Projektleitung sei auch in Zukunft ihr Zuschlagskriterium Nummer eins. Man stelle im Gespräch mit Büros stets auch überraschende, „banale“ Fragen, die Antworten ließen die fachliche Eignung eines Projektleiters deutlich erkennen.
Auch Peter Kalte, Geschäftsführer der Gütestelle Honorar- und Vergaberecht in Mannheim, der über „Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit – neue Regeln und Beispiele“ referierte, zeigte auf, dass laut EU-Rechtsprechung etwa die Neuvergabepflicht bei wesentlichen Änderungen eines öffentlichen Auftrags heute schon gilt. Dies habe Vorwirkung für die Vergabekammern gehabt und wird in der neuen Richtlinie ab April endgültig normiert sein.
Bisher gültiges Recht sah auch Beatrice Fabry, Partnerin bei Menold Bezler Rechtsanwälte in Stuttgart, – bei allen Veränderungen – in der neuen VgV festgeschrieben. Die Kündigungsmöglichkeit von Aufträgen öffentlicher Auftraggeber in besonderen Fällen fixiere zum Beispiel die bisherige EuGH-Rechtsprechung. Etwa wenn aufgrund einer schweren Verletzung von EU-Maßgaben der Auftrag gar nicht an den Auftragnehmer hätte vergeben werden dürfen.
„Das Vergaberecht ist labyrinthisch, es ändert sich viel, aber die Grundsätze bleiben gleich“, konstatierte Referentin Andrea Rosenauer, Vergabeexpertin im Finanz- und Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg. In 72 Tagen fällt der Startschuss. „Machen Sie was draus“, forderte Peter Kalte die Besucher des 14. Vergabetags auf.
Die Teilnahmeunterlagen inkl. Gesetzestexte können Sie hier herunterladen.
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