Die Rüge dient dazu, den Auftraggeber (AG) in die Lage zu versetzen, etwaige Rechtsverstöße zu prüfen und diesen abzuhelfen. Fällt dem Bieter ein Vergaberechtsverstoß auf, muss er diesen deshalb innerhalb von 10 Kalendertagen gegenüber dem AG rügen (§ 160 Abs. 3 Satz 1 GWB). Dazu ist es nicht erforderlich, die Rüge auch ausdrücklich als Rüge zu bezeichnen (VK Bund, VPR 2018, 89). Entscheidend ist nicht die Wortwahl, sondern nur, dass der Bieter unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er das Vergabeverfahren kritisiert und beanstandet. Von einer Rüge kann dagegen keine Rede sein, wenn nur reine Verständnis- bzw. Auslegungsfragen zu den Vergabebedingungen gestellt werden (OLG Frankfurt, IBR 2007, 325).
Der Bieter muss im Rahmen seiner Rüge diejenigen Umstände konkret aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines Schadens ergibt. Bloße Vermutungen oder bloße Behauptungen "ins Blaue hinein", die nur pauschal die Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens angreifen oder nur die abstrakte Möglichkeit einer Rechtsverletzung in den Raum stellen, reichen dazu nicht aus. Vielmehr müssen tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorgetragen werden, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (VK Lüneburg, IBR 2015, 564, VK Mecklenburg-Vorpommern, VPR 2015, 237). Außerdem muss die Rüge den AG auffordern, den Verstoß zu beseitigen (OLG Brandenburg, IBR 2006, 1020).
Bieter sollten in Textform rügen, um ihre Rüge auch belegen zu können (IBR 2011, 1152) und sich den Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu eröffnen. Auftraggeber sollten auch bei vorsichtig geäußerter Kritik am Vergabeverfahren überprüfen, ob die Kritik berechtigt und eine Reaktion angebracht ist. Denn auch eine freundliche Rüge genügt der Rügeobliegenheit mit ihren Konsequenzen.
Über den Autor:
Melina Eberts, LL.M. ist Rechtsanwältin in Heppenheim mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und Bau- & Immobilienrecht. Sie berät ihre Mandanten insbesondere bei der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung. Als freie Mitarbeiterin unterstützt sie die Redaktion von „ibr-online“ und „vpr-online“ und ist Ansprechpartnerin für das Vergaberecht. Dabei bereitet sie aktuelle gerichtliche Entscheidungen auf und betreut die Online-Dienste, sowie die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift „VPR – Vergabepraxis & -recht“.
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Melina Eberts
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