Sie als öffentlicher Auftraggeber müssen Bieter, deren Angebote bei der Auftragsvergabe nicht berücksichtigt werden, vor der Vergabe des Auftrags an einen Wettbewerber unverzüglich in Textform informieren. Die Information muss nach § 134 Abs. 1 GWB den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung des Angebotes sowie den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses enthalten. Um dem unterlegenen Bieter effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen, dürfen Sie den Vertrag grundsätzlich erst 15 Kalendertage nach Absendung des Informationsschreibens abschließen. Wird die Information aber auf elektronischem Weg oder Fax versendet, ist der Vertragsabschluss schon nach zehn Kalendertagen möglich. Vor der Frage, ob auch das Einstellen der Information auf der im Vergabeverfahren genutzten elektronischen Vergabeplattform ein Versenden „auf elektronischem Weg“ ist, stand kürzlich die Vergabekammer (VK) des Saarlandes.
Was war geschehen?
Der Landesbetrieb für Straßenbau Saarland hatte im September 2020 die Reinigung von verunreinigten Verkehrsflächen auf Bundesautobahnen im Saarland europaweit ausgeschrieben.
Am 22.10.2020 übermittelte die Vergabestelle dem nach Auswertung der Angebote an zweiter Stelle liegenden Unternehmen (der späteren Antragstellerin) über die Kommunikationsfunktion der genutzten Vergabeplattform eine Nachricht in das persönliche Nutzerkonto, der das Schreiben nach § 134 GWB vorab beigefügt war. Über den Erhalt einer neuen Nachricht wurde das Unternehmen mit einer automatisch generierten E-Mail informiert. Die auf der Vergabeplattform übermittelte Nachricht öffnete das Unternehmen wenige Minuten später. Per Post erhielt das Unternehmen das Schreiben nach § 134 GWB jedoch erst am 26.10.2020. In dem Schreiben wurde der 03.11.2020 als frühestmöglicher Zeitpunkt der Zuschlagserteilung genannt.
Das Unternehmen rügte daraufhin Verstöße gegen Vergaberecht. Es war der Ansicht, dass das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten sollte, nicht geeignet war, den Auftrag auszuführen. Zudem war nach seiner Ansicht eine Zuschlagserteilung am 03.11.2020 vergaberechtswidrig, weil die 15-Tages-Frist des § 134 Abs. 2 S. 1 GWB nicht eingehalten wird. Ausschlaggebend ist seiner Meinung nach das Zustelldatum des Informationsschreibens per Post und nicht das Datum, an dem es das Schreiben über die Vergabeplattform erhalten hat. Die Vergabestelle half der Rüge nicht ab und erteilte am 03.11.2020 den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen.
Daraufhin stellte das Unternehmen einen Nachprüfungsantrag, um den erteilten Zuschlag für unwirksam zu erklären.
Die Entscheidung der VK des Saarlandes
Inhaltlich hielt die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag für unzulässig. Der Zuschlag sei schon vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens wirksam erteilt worden und könne auch nicht nachträglich nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB wieder beseitigt werden. Ein Verstoß gegen § 134 GWB liege nicht vor. Die Antragsgegnerin habe den Zuschlag schon am 03.11.2020 und damit nach weniger als 15 Kalendertagen auf das Angebot der Beigeladenen erteilen dürfen. Das Einstellen der Information nach § 134 GWB in das elektronische Postfach der Antragstellerin auf der Vergabeplattform erfülle das Textformerfordernis und die Voraussetzungen des „Absendens“ nach § 134 Abs. 2 S. 3 GWB. Damit sei der Lauf der verkürzten Wartefrist von zehn Kalendertagen wirksam in Gang gesetzt worden.
Hinsichtlich des Kriteriums der „Textform“ orientiert sich die Vergabekammer an § 126b BGB. Nach dessen Wortlaut komme es für die Frage der formwirksamen Erstellung und Abgabe der Erklärung in Textform nicht darauf an, ob und wie der Empfänger diese speichert. Die Erklärung in Textform müsse lediglich dauerhaft wiedergegeben, also unverändert zugänglich und lesbar sein. Das sei bei Nachrichten, die über den Kommunikationsbereich der Vergabeplattform an die Bieter gesendet würden, der Fall. Es handele sich dabei um lesbare Erklärungen, die druckfähig und elektronisch speicherbar seien und mindestens für die Dauer des Vergabeverfahrens im persönlichen Kommunikationsbereich des Bieters abrufbar blieben.
Das Einstellen der Information auf der Vergabeplattform genüge außerdem den Anforderungen des § 134 GWB an das „Versenden bzw. Absenden“. Versenden in elektronischer Form sei dabei nicht das physische Versenden, sondern bedeute das elektronische „auf den Weg bringen“ der Information in Textform, ohne dass es auf den tatsächlichen Zugang ankomme. Das Informationsschreiben gelte dann als abgesendet, wenn es den Machtbereich der Vergabestelle verlasse und nicht mehr einseitig verändert oder gelöscht werden könne. Die Vergabestelle könne davon ausgehen, dass die Information bei regelgerechtem Verlauf zum Empfänger gelange. Dazu müsse es dem Empfänger möglich sein, jederzeit und ohne Zutun der Vergabestelle auf die im Postfach der Vergabeplattform eingestellten Informationen zuzugreifen. Diesen Anforderungen genüge das Einstellen der Information auf der Vergabeplattform jedenfalls dann, wenn diese in einem nur dem Bieter persönlich zugänglichen Raum („Online-Konto“) eingestellt werde und revisionssicher, also vor Änderungen geschützt, gespeichert werde. Diese Voraussetzungen seien bei der genutzten Plattform erfüllt.
Bei Vergabeverfahren, die vollständig über eine Vergabeplattform digital abgewickelt werden, könne das Versenden der Information „auf elektronischem Weg“ nach Auffassung der Vergabekammer außerdem nicht ausschließlich auf das Absenden einer herkömmlichen E-Mail oder ein Fax beschränkt werden. Der Gesetzgeber nenne in § 134 GWB kein Medium, mit dem die Information übermittelt werden könne. Da keine Technik genannt werde, sei auch die Übermittlung via Vergabeplattform ein elektronischer Weg.
Praxishinweis
Mit ihrer Entscheidung weicht die Vergabekammer des Saarlandes ausdrücklich und unter Verweis auf das Vorliegen eines anders gelagerten Falls von einer Entscheidung der Vergabekammer Südbayern ab (29.03.2019, Z3-3-3194-1-07-03/19 ). Anders als in dem von der VK Südbayern entschiedenen Fall konnte hier die Information auf der Vergabeplattform unmittelbar mit dem Einstellen abgerufen und revisionssicher gespeichert werden. Der unterlegene Bieter wurde deshalb in die Lage versetzt, effektiven Rechtsschutz einzufordern. Auf eine tatsächliche Kenntnisnahme des Informationsschreibens kommt es nicht an. Darauf, ob der Bieter seine Nachrichten auf der Vergabeplattform liest, hat die Vergabestelle genauso wenig Einfluss, wie bei einem Brief oder einem Fax.
Inhaltlich erscheint die Entscheidung der Vergabekammer des Saarlandes vor dem Bestreben, Vergabeverfahren regelmäßig in elektronischer Form abzuwickeln, konsequent. Werden Vergabeverfahren vollständig digital über eine Vergabeplattform abgewickelt, wäre es nicht stimmig, für den Versand von Informationsschreiben andere Übermittlungswege zu fordern. Auch die VK Münster setzt sich in einer – allerdings nicht auf Nachrichten nach § 134 GWB bezogenen – Entscheidung vom 31.03.2021 (VK 1 – 09/21 ) für eine Gleichbehandlung von Nachrichten auf der elektronischen Plattform und E-Mails ein.
Sie sollten sich über die genaue Funktionsweise der von ihnen genutzten elektronischen Vergabeplattform informieren. Nur wenn diese zumindest die von der VK des Saarlandes genannten Voraussetzungen erfüllt, kann die Information nach § 134 GWB grundsätzlich über die elektronische Vergabeplattform versendet werden. Zur Erhöhung der Rechtssicherheit und jedenfalls bis zum Vorliegen einer obergerichtlichen Entscheidung sollte jedoch eine parallele Versendung der Information über E-Mail oder Fax erfolgen.
Quelle
Dr. Joachim Ott, LL.M. ist Rechtsanwalt bei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte in Stuttgart. OPPENLÄNDER Rechtsanwälte berät öffentliche Auftraggeber und Bieter zu allen Fragen des Vergaberechts und Kartellrechts und führt regelmäßig Verfahren vor den Vergabekammern des Bundes und der Länder, den Oberlandesgerichten und den Gerichten der Europäischen Union.
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