Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg wieder einmal Gelegenheit, zu Fragen der Zulässigkeit von vergaberechtsfreien Inhouse-Geschäften Stellung zu nehmen. Im Kern ging es in dem aktuellen Urteil um die Frage, ob Auftragsvergaben zwischen zwei Schwester-Organisationen, die über einen gemeinsamen Träger verbunden sind, dem Vergaberecht unterliegen. Diese Konstellation wird in der Fachwelt auch als „horizontales Inhouse-Geschäft“ bezeichnet.
Der Entscheidung lag ein Rechtsstreit zwischen einem IT-Dienstleister und der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) zugrunde. Die TUHH hatte einen Auftrag zur Beschaffung eines IT-Hochschulmanagementsystems mit einem geschätzten Auftragswert von 840 000 Euro ohne europaweite Ausschreibung an die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) vergeben.
An der HIS sind zu einem Drittel der Bund und zu zwei Dritteln die Bundesländer – darunter auch die Freie und Hansestadt Hamburg mit insgesamt 4,16 Prozent – beteiligt. Der Gesellschaftszweck der HIS besteht in der Unterstützung der Hochschulen. Rund fünf Prozent des Umsatzes der HIS entfallen auf Tätigkeiten für andere Einrichtungen als öffentliche Hochschulen. Die Stadt Hamburg übt die Rechts- und Fachaufsicht bei der Mittelbewirtschaft über die TUHH aus, die im Übrigen über Selbstverwaltungsautonomie verfügt.
Der EuGH sieht kein vergabefreies horizontales Inhouse-Geschäft zwischen der TUHH und der HIS. Er verneinte dies maßgeblich mit der Begründung, dass es an der hierfür notwendigen Kontrolle der Stadt Hamburg über die TUHH „wie über eine eigene Dienststelle“ fehle. Die Kontrolle beziehe sich lediglich auf einen Teil der Tätigkeiten (Beschaffungsbereich), nicht aber auf die Bereiche Forschung und Lehre. Aus diesem Grund konnte der EuGH es offen lassen, ob auch „horizontale Inhouse-Geschäfte“ ausnahmsweise vergaberechtsfrei möglich sind.
Die neuen EU-Vergaberichtlinien, die am 28. März im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurden und binnen zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden müssen, beantworten diese Frage dagegen grundsätzlich positiv. Gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU (VergRL) soll, wenn die Voraussetzungen vorliegen, auch eine Auftragsvergabe zwischen zwei Schwester-Organisationen möglich sein.
Zu diesen Voraussetzungen gehören die „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“, dass mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person der Ausführung der Aufgaben dienen, mit denen sie betraut wurde sowie, dass es keine direkte private Kapitalbeteiligung gibt.
Die Frage, ob vergaberechtsfreie Inhouse-Geschäfte zwischen Schwester-Organisationen zulässig sind, ist mit Blick auf die erstmalige positivgesetzliche Regelung von Inhouse-Geschäften in den neuen EU-Vergaberichtlinien grundsätzlich zu bejahen. Es müssen allerdings – was im Einzelfall zu prüfen ist – die allgemeinen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
In seiner Entscheidung vom 8. Mai hat der EuGH die Frage offen gelassen. Begründet wurde dies damit, dass es im entschiedenen Fall erkennbar an einem öffentlichen Auftraggeber fehlte, der eine „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ über zwei verschiedene Wirtschaftsteilnehmer ausübte, von denen einer einen Auftrag an den anderen vergab. Diese EuGH-Entscheidung fiel auf Grundlage der bisherigen, insoweit mangels gesetzlicher Regelungen noch unklaren Rechtslage.
Expertenbeitrag:
Beatrice Fabry,
Menold Bezler Rechtsanwälte
Partnerschaft, Stuttgart
Abonnieren Sie jetzt den Vergabebrief und informieren Sie sich regelmäßig über Neuerungen zum Thema Vergabe!
Von der reinen Veröffentlichung einer Bekanntmachung bis zur Darstellung des gesamten Vergabeverfahrens – wir bieten Ihnen die passgenaue Vergabe-Lösung.