Projektantenproblematik

11.11.2019
Von: Melina Eberts
Expertenbeitrag

Vergabestellen werden häufig von verschiedenen Unternehmen im Vorfeld eines Vergabeverfahrens beraten und unterstützt. Wollen solche sogenannten „vorbefassten Bieter“, oder auch „Projektanten“, anschließend an einem Vergabeverfahren dieses öffentlichen Auftraggebers teilnehmen, sind Wettbewerbsvorteile für diese Unternehmen denkbar.

Diese können darin liegen, dass die Unternehmen die an die ausgeschriebenen Leistungen gestellten Anforderungen besser beurteilen und ihr Angebot dadurch leichter an die Bedürfnisse des AG anpassen können, als vorher unbeteiligte Bieter. Das Vergaberecht verpflichtet die Vergabestelle allen Teilnehmern die gleichen Chancen zum Erhalt des Zuschlags zu ermöglichen (§ 97 Abs. 2 GWB) und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, damit der Wettbewerb durch die Teilnahme vorbefasster Unternehmen nicht verzerrt wird (§ 7 VgV).

Vorbefasste Bieter generell vom Vergabeverfahren auszuschließen ist jedoch keine Option, da dies unverhältnismäßig und gemeinschaftswidrig wäre (EuGH, IBR 2005, 229).

Wie kann also der Auftraggeber sicherstellen, dass durch die Teilnahme eines Unternehmens, das bereits in der Vorbereitung des Vergabeverfahrens beteiligt war, der Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird?

  • Zunächst sind Art und Umfang der erlangten Kenntnisse und Tätigkeiten des vorbefassten Bieters sorgfältig zusammenzustellen und zu bewerten. Dabei hat die Vergabestelle alles Zumutbare zur Aufklärung einer möglichen Vorbefassung und deren Auswirkung auf den Wettbewerb zu leisten (OLG Celle, VPR 2016, 103; VK Bremen, Beschluss vom 07.06.2019 - 16-VK 4/19).

    Ein Vorauftrag ist dabei kein ausgleichspflichtiger Wettbewerbsvorteil, denn nicht jede Beteiligung führt automatisch zu einem Wissensvorsprung des Auftragnehmers (VK Bund, VPR 2017, 154; VK Bund, VPR 2014, 37).

  • Anschließend ist zu prüfen, ob durch die Vorbefasstheit gewonnene Erkenntnisse überhaupt zu einem Wettbewerbsvorteil führen und ob dieser durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden kann (OLG München, IBR 2011, 541).

    Ist eine konkrete Wettbewerbsverfälschung bei objektiver Betrachtung der Leistung möglich, ist die Vergabestelle verpflichtet, den Wissensvorsprung des einen Bieters durch Information aller anderen Bieter auszugleichen. Welche Egalisierungsmaßnahme dabei konkret erforderlich ist, entscheidet der öffentliche Auftraggeber nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG München, VPR 2013, 83).

    Nur, wenn die mögliche Interessenkollision nicht auf andere Weise beseitigt werden kann, darf der Wettbewerbsvorsprung zum Ausschluss führen (VK Lüneburg, VPR 2016, 164).

  • Vor einem etwaigen Ausschluss ist dem Projektanten Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung Stellung zu nehmen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die erlangten Kenntnisse den Wettbewerb nicht verfälschen (OLG Celle, VPR 2016, 103; VK Bremen, Beschluss vom 07.06.2019 - 16-VK 4/19). 

 

Über den Autor:

Melina Eberts, LL.M. ist Rechtsanwältin in Heppenheim mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und Bau- & Immobilienrecht. Sie berät ihre Mandanten insbesondere bei der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung. Als freie Mitarbeiterin unterstützt sie die Redaktion von „ibr-online“ und „vpr-online“ und ist Ansprechpartnerin für das Vergaberecht. Dabei bereitet sie aktuelle gerichtliche Entscheidungen auf und betreut die Online-Dienste, sowie die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift „VPR – Vergabepraxis & -recht“.


Kontakt:
Melina Eberts
Telefon 062 52.59 06 30
Telefax 062 52.59 06 363
eberts(at)kanzlei-heppenheim.de

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