Lange Zeit beschäftigte sich die Rechtsprechung sehr intensiv mit den Anforderungen an eine produktneutrale Ausschreibung. Bei vielen Auftraggebern und Bietern erweckte dies den Eindruck, dass grundsätzlich immer produkt- beziehungsweise leistungsneutral ausgeschrieben werden müsse und die konkrete Vorgabe des Beschaffungsgegenstands entweder gänzlich unzulässig oder mit so hohen Risiken verbunden sei, dass Auftraggeber im Interesse der Rechtssicherheit vorsorglich darauf verzichten sollten.
Dieser schleichenden Entwicklung stellte sich im Jahr 2009 das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf und ihm folgend andere Vergabekammern und Gerichte entgegen. Die Richter weisen eigentlich nur auf etwas Selbstverständliches hin: Der Auftraggeber kauft ein, und wie jeder Käufer bestimmt er grundsätzlich selbst, was er haben möchte.
Das Recht zur Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist dem Vergabeverfahren vorgelagert und kann im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob die vom Auftraggeber geltend gemachten Gründe sachgerecht und willkürfrei sind. In seinem jüngsten Beschluss vom 27. Juni 2012 (Verg 7/12) hat das OLG Düsseldorf seine Rechtsprechung nochmals wie folgt zusammengefasst:
Es muss eine sachliche Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsgegenstands durch den Auftraggeber vorliegen.
Zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung muss der Auftraggeber in der Vergabeakte nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angeben und dokumentieren. Ob diese Gründe tatsächlich vorliegen, unterliegt der Nachprüfung.
Die Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes muss diskriminierungs- und willkürfrei sein.
Der Auftraggeber ist auch nicht verpflichtet, vor Festlegung seines Beschaffungsgegenstands eine Markterkundung durchzuführen.
Zusammengefasst heißt das nichts anderes, als dass der Auftraggeber einen konkreten Beschaffungsgegenstand vorgeben kann, wenn er sich auf sachliche und willkürfreie Gründe stützen kann, die in der Vergabeakte dokumentiert sein müssen. Fehlt eine Dokumentation der Gründe für die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands, besteht eine Tendenz der Vergabe-Nachprüfungsinstanzen, eine nachgeschobene Begründung nicht zu akzeptieren.
Auftraggeber sollten gleichwohl nicht meinen, zukünftig in jeder Ausschreibung den Beschaffungsgegenstand vorgeben zu müssen. Produktneutrale Ausschreibungen sind am wettbewerbsfreundlichsten und führen daher in der Regel zu den wirtschaftlichsten Ergebnissen. Die Vorgabe des Beschaffungsgegenstands ist daher auf sinnvolle Einzelfälle zu beschränken.
Auftraggeber, die sich entscheiden, den Beschaffungsgegenstand vorzugeben, sollten in diesem Zusammenhang zudem den Zusatz „oder gleichwertig“ vermeiden. Er passt nur zu Leitfabrikaten, wo der Auftraggeber das Produkt nicht produktneutral beschreiben kann und den Bietern daher ein Beispiel nennen will. Der Zusatz passt dagegen nicht zur Vorgabe eines konkreten Beschaffungsgegenstands, da der Auftraggeber sich dort festlegt, dass er gerade nichts anderes – auch nichts Gleichwertiges – beschaffen will.
Wann die Bestimmung des Gegenstands erlaubt ist:
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