EU-Vergaberichtlinie vor dem Praxistest

04.05.2015
Von: Ulrike Raab-Nicolai
Redaktion

Bei den 17. Forum Vergabe Gesprächen diskutierten in der vergangenen Woche zahlreiche Experten von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft, Forschung und Verwaltung darüber, wie die neue EU-Vergaberichtlinie in Deutschland umgesetzt werden soll. Das Ziel, das Regelwerk zu vereinfachen, traf dabei auf die komplexe Materie des Vergaberechts.

Hauptthema der Gespräche in Fulda war die Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien im kommenden Jahr. „Am 17. April 2016 findet die zweite kopernikanische Wende im Vergaberecht statt“, sagte Meinrad Dreher, von der Johannes-Gutenberg-Universität. Mit diesem Umbruch werde das europäische Richtlinienprogramm vollendet und ausdifferenziert.

Der Aspekt der Ausdifferenzierung prägte die Diskussionen während der Tagung. Auch sein Antipode, die Vereinfachung des Vergaberechts, war vielfach geäußertes Anliegen in Fulda.

„Wir wollen die Vereinfachung der Gesetzesstruktur“

Von dieser Spannung gekennzeichnet ist die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht. Christian Dobler, der im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BWI) dafür verantwortlich ist, konnte „die gute Nachricht“ verkünden, dass der Entwurf für die neue Verordnung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) fertig ist und auch bald zur Verfügung stehen werde.

Allerdings: „Die EU-Richtlinie ist Ausgangspunkt, wir können nicht besser sein als diese“, so Dobler. Das Spannungsfeld der EU könne nicht aufgelöst, nur optimiert werden. Er machte die Haltung auf Bundesebene klar: „Wir wollen die Vereinfachung der Gesetzesstruktur unterhalb der EU-Ebene“. Deshalb würden die VOL/A und die VOF in die Vergabeverordnung (VgV) integriert. Bei allem Willen, das bundesdeutsche Vergaberecht nicht umfangreicher zu machen, sei der Verordnungsentwurf doch angereichert worden. So wolle man den Ablauf des Vergabeprozesses bereits auf GWB-Ebene abbilden, dabei führe man Einzelheiten vermehrt aus. „Da treffen unterschiedliche Wünsche aufeinander“, so Dobler. „Wir beschäftigen uns mit diesem Spannungsfeld, führen Gespräche mit Interessengruppen und haben es mit vielen Einzelaspekten zu tun“, sagte er.

Wünsche meldeten nach Doblers Einleitung die Podiumsteilnehmer an. Zu ihnen gehörte Reinhard Janssen vom Bundesumweltministerium. Er forderte, den Unterschwellenbereich nicht zu vergessen, der auf Bundesebene 75 Prozent aller Aufträge, die unter 10?000 Euro liegen, ausmachen. „Bitte das Vergaberecht als Ganzes betrachten“, sagte er. Die Vergabeausschüsse dienten dazu, die anderen öffentlichen Auftraggeber zum Beispiel auf Länderebene einzubinden, um eine nationale Basis zu schaffen „wie wir Leistungen im Unterschwellenbereich vergeben“, so Janssen.

Die Länderebene vertrat Jasmin Deling vom Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen. Sie mahnte, bei einer Eins-zu-eins -Umsetzung der EU-Richtlinie würde die Verschlankung in den Vordergrund gerückt. „Wir dürfen aber nicht davor zurückschrecken, Regelungstiefe zu akzeptieren“, sagte Deling. Und forderte Unterstützung vom Bund: „Es wäre wünschenswert, dass der rechtliche Rahmen konkretisiert wird. Es muss eine klare Regelung fokussiert auf die Gesetzgebung auf Länderebene geben. Das muss das BWI hinkriegen.“ Und, so fügte sie hinzu, die Länder müssten ermächtigt werden, weitere Regelungen zu treffen.

Ober- und Unterschwellenbereich als Ganzes betrachten

Für die nächste Ebene der Kaskade stand Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund auf dem Podium. Er beurteilte den Willen zur Vereinheitlichung bei der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien positiv und sieht die Integration von VOL und VOF als richtigen Weg. Portz forderte, eine Diskrepanz bei Ober- und Unterschwellenbereichen zu vermeiden. „Es kann nicht sein, dass ab 18. April 2016 Regelungsübertragungen auf den Unterschwellenbereich nicht möglich sind“, sagte er. Gerade „das Massengeschäft der unterschwelligen Vergabe braucht Vereinfachung.“ Denn, so mahnte Portz, „die Praxis braucht Ruhe, keine weiteren Novellen.“

Die Bauwirtschaft wurde in Fulda von Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, vertreten. „Die ausführende Bauwirtschaft wird zu wenig gehört“, klagte er. Dabei sei sie mit einem Drittel des Auftragsvolumens, das seien 30 Milliarden Euro, existenziell betroffen. Er plädierte dafür, die VOB in allen Teilen als Gesamtsystem zu betrachten und zu bewahren.

Der Stadtbaurat von Fulda, Daniel Schreiner, hatte den anscheinend unauflöslichen Widerspruch zwischen Verschlankung und Komplexität in der Umsetzung der Vergaberichtlinie in seinem Tagungsgrußwort schon geahnt. „Wir erhoffen uns vom Entwurf des Bundes Vereinfachung“, sagte er. Und er fügte an: „Das Handeln wird schwieriger für öffentliche Auftragggeber.“

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