Staatliche Beihilfen sind von der Europäischen Kommission zu genehmigen. Denn die Förderung von Unternehmen kann zu Wettbewerbsverzerrungen im zwischenstaatlichen Handel führen. Die Kommission will das für Vorhaben mit rein lokalen Auswirkungen lockern – doch die europäische Rechtsprechung könnte dies ausbremsen.
In sieben verschiedenen Beschlüssen (die noch nicht im Volltext veröffentlicht sind) hat die Kommission am 29. April 2015 festgestellt, dass bei staatlichen Maßnahmen zur Förderung rein lokaler Vorhaben nicht mit einer wesentlichen Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedsstaaten zu rechnen ist.
In den von der Kommission entschiedenen Fällen ging es um die Förderung öffentlicher Krankenhäuser in der Tschechischen Republik und in Deutschland, eines medizinischen Versorgungszentrums in Durmersheim (Baden-Württemberg), einer städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Kiel, Investitionsbeihilfen für einen Hafen in den Niederlanden sowie die staatliche Unterstützung für Golfclubs und ein Outdoor-Trainingszentrum im Vereinigten Königreich.
Die Kommission möchte mit diesen Beschlüssen den Mitgliedsstaaten und sonstigen Interessensgruppen zusätzliche „Orientierungshilfen“ an die Hand geben, damit diese feststellen können, welche Vorhaben nach den europäischen Beihilfenvorschriften genehmigt werden müssen und welche nicht.
In den Entscheidungen geht die Kommission davon aus, dass sich eine staatliche Förderung von Vorhaben mit rein lokalen Auswirkungen unter Umständen nicht auf den Handel innerhalb der Europäischen Union auswirkt. Dies soll etwa dann der Fall sein, wenn der Beihilfenempfänger Güter oder Dienstleistungen nur in einem geografisch begrenzten Gebiet in einem einzigen Mitgliedsstaat anbietet und diese Aktivitäten keine Kunden aus anderen Mitgliedsstaaten tangieren.
Überdies setzt die Kommission voraus, dass die Maßnahme keine oder höchstens marginale vorhersehbare Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen in dem Sektor und auf die Gründung von Unternehmen im EU-Binnenmarkt hat.
Das Abstellen auf den Kreis der Personen, die die jeweils staatlich geförderte Maßnahme in Anspruch nehmen, stellt eine deutliche Abkehr von der bisherigen Entscheidungspraxis der Kommission dar. Denn bislang war maßgeblich, ob ein Konkurrent aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU die betreffende Tätigkeit wahrnehmen könnte.
Denkt man die neue Herangehensweise der Kommission weiter, würden sich beihilfenrechtliche Fragen in vielen Fällen gar nicht mehr stellen, wenn kommunale Unternehmen mit der Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen betraut sind. Denn solche Daseinsvorsorgeleistungen sind typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass sie ausschließlich oder ganz überwiegend im Interesse der lokalen Einwohner erbracht werden.
So erfreulich diese Entwicklung aus kommunaler Sicht sein mag, so sind damit doch große Fragezeichen verbunden: Denn die Kommission setzt sich mit ihrer Entscheidungspraxis in Widerspruch zur gefestigten Entscheidungslinie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hat in seiner Rechtsprechung herausgearbeitet, dass es keinen Prozentsatz und keine Schwelle gebe, unterhalb derer davon ausgegangen werden könne, dass eine staatliche Förderung nicht geeignet sei, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen.
Der EuGH betont insoweit stets, dass durch die Förderung von Unternehmen, die lokale oder regionale Dienstleistungen erbringen, der Tätigkeitsbereich dieser Unternehmen beibehalten oder ausgeweitet werden kann, sodass sich die Chancen von Unternehmen aus anderen Mitgliedsstaaten auf einen Markteintritt verringern können.
Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass interessierte Wettbewerberkreise versuchen werden, die vermeintlich gelockerte Entscheidungspraxis der Kommission durch entsprechend qualifizierte Beihilfenbeschwerden vor die europäischen Gerichte zu bringen, um die Kommission so zu einer Korrektur ihres neuen Ansatzes zu zwingen.
Das Ziel der Kommission, den Anwendungsbereich des Beihilfenverbots auf diejenigen Fälle zu beschränken, die tatsächlich zwischenstaatliche Auswirkungen haben, ist zu begrüßen. Der nutzerbezogene Ansatz mag hierfür ein denkbarer Weg sein. Fraglich ist allerdings, ob die europäischen Gerichte diese „liberalere“ Auslegung des Beihilfenverbots mittragen oder weiterhin auf ihrer eher restriktiven, das heißt sehr weitgehenden Auslegung des Beihilfenverbots beharren werden.
Expertenbeitrag
Stefan Meßmer, Rechtsanwalt, Menold Bezler, Stuttgart
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