Wer in den umfangreichen Regelwerken zum Vergaberecht nach einer allgemein gültigen Definition des Begriffes „Nebenangebot“ sucht, der wird keine finden. Trotzdem ist das Nebenangebot ein fester Bestandteil des Vergaberechts. Es ist ein Angebot, das in einem oder mehreren Punkten von dem abweicht, was ein Auftraggeber eigentlich ausgeschrieben hat, oder eine komplette Alternativlösung anbietet, die aber gleichzeitig den Anforderungen der eigentlichen Ausschreibung entspricht (siehe Infokasten).
Große Diskussionen gibt es bei der Frage, in welchen Fällen Nebenangebote überhaupt zugelassen und wie diese bewertet werden. In nicht wenigen Fällen müssen sich Vergabekammern und Oberlandesgerichte mit Klagen von Bietern beschäftigen, deren Nebenangebote von der Auftraggeberseite erst gar nicht zugelassen wurden. Streitig sind immer wieder die Wertungskriterien für Nebenangebote, die vom Auftraggeber festgelegt werden müssen.
Vor allem im Bauwesen hat das Nebenangebot große Bedeutung. „Über diese Form werden regelmäßig Innovationen freigesetzt“, weiß Peter Hoppe, beim Baukonzern Bilfinger Berger einer der Bereichsleiter für den Ingenieurbau. Er verweist auf den Brückenbau, den Tunnelvortrieb oder den Kanalbau. „Hier gibt es einen ganzen Strauß voller Lösungen, die anfänglich über Nebenangebote umgesetzt wurden“, fügt er hinzu. Auch sein Unternehmen biete regelmäßig Nebenangebote an. „Das ist aber vergebene Liebesmüh’“, sagt er. Die öffentliche Hand lehne ebenso regelmäßig ab. Dort habe man Angst vor Klagen seitens eines Bieters gegen den Zuschlag für ein Nebenangebot. Hoppe kritisiert, dass Auftraggeber deshalb die Wertung von Nebenangeboten scheuten. Allerdings sei schon die Aufstellung von Kriterien durch die öffentliche Hand nicht sauber definiert, weshalb es zu Klagen überhaupt erst komme.
Klaus Knörle, Leiter der Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg bei der Industrie- und Handelskammer in Stuttgart, verweist auf die Pflicht für Auftraggeber, für Vorhaben oberhalb der Schwellenwerte zusätzlich Mindestbedingungen auch für Nebenangebote zu definieren. Auch Knörle plädiert dafür, Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, Nebenangebote abgeben zu können: „Oftmals sind Leistungsverzeichnisse sehr detailliert und auf eine bestimmte Technik festgelegt.“ Nicht selten komme es vor, dass Leitfabrikate vorgegeben seien. Im Leistungsverzeichnis müssten diese aber mit dem Zusatz „oder gleichwertiger Art“ versehen werden. Unternehmen, die auf eine andere Technik spezialisiert seien oder andere Fabrikate führten als vom Auftraggeber vorgegeben, hätten so die Chance, im Wettbewerb zu bestehen.
Strittig ist die Frage, inwieweit Nebenangebote gleichwertig wie ein Hauptangebot zu behandeln sind. Eine erste Hürde ist die grundsätzliche Zulassung als Angebot. Als juristischer Meilenstein gilt hier die sogenannte Traunfellner-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2003. Damals hatte der EuGH vorgegeben, dass Auftraggeber Nebenangebote bereits in der Ausschreibung zulassen müssen, aber darüber hinaus zwingend bereits in den Verdingungsunterlagen Mindestanforderungen vorzugeben haben, die ein Nebenangebot zu erfüllen hat. Fehlten diese Anforderungen, so sei ein Nebenangebot von der Wertung auszuschließen.
Schwierig ist auch die Wertung von Neben- und Hauptangebot, weil Vergabestellen hier ein großer Ermessensspielraum zusteht. Juristen gehen davon aus, dass Nebenangebote geeignet sein müssen, dem „objektiven Bestellerwillen des Auftraggebers in allen wirtschaftlichen und technischen Einzelheiten“ gerecht zu werden. Ein Bieter sollte bereits mit der Angebotsabgabe Gutachten oder andere Zertifikate vorlegen, die die Gleichwertigkeit der von ihm angebotenen technischen Lösung belegen.
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