Öffentliche Beschaffung: Kaum systematische Erfassung von Risiken

26.03.2010
Von: Werner Frasch
Redaktion

KARLSRUHE/BERLIN. Die Gefahr, dass ein Lieferant nach der Erteilung eines Auftrags durch Insolvenz ausfällt und daraus dem öffentlichen Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Gründen Schwierigkeiten erwachsen, nimmt zu. Im Krisenjahr 2009 ist die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahr um 11,6 Prozent auf knapp 32 700 gestiegen, während
sie in den Jahren zuvor jeweils zurückgegangen war. Die Tendenz ist weiter steigend, wie die Entwicklung im Dezember 2009 zeigt. Nach den jetzt veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden im letzten Monat des vergangenen Jahres bereits 15,5 Prozent mehr Insolvenzen registriert als im Vergleichsmonat des Vorjahres.

Von einer deutlichen Zunahme der Lieferantenausfälle gehen auch Experten der Praxis und Wissenschaft aus, wie eine Umfrage von D&B Deutschland, einem Netzwerk für Wirtschaftsinformationen und Firmenbewertungen, zeigt. Einen starken Anstieg des Ausfallrisikos von Lieferanten der öffentlichen Hand erwarten 40 Prozent der Befragten, während 53 Prozent immerhin von einem leichten Anstieg ausgehen. Allerdings wird die Qualität des Risikomanagements in der öffentlichen Beschaffung als äußerst gering eingeschätzt. Fast 90 Prozent der Befragten gaben an, dass die systematische Erfassung von Risiken kaum vorhanden sei.

Mehrheit hält Verbesserung des Risikomanagements für nötig

Kaum überraschend ist, dass die große Mehrzahl der Experten die Notwendigkeit für die öffentliche Hand sieht, ihr Risikomanagement zu verbessern. Von einem hohen Handlungsbedarf gehen mehr als 90 Prozent der Befragten aus. Auch Ralf Krepper vom Badischen Gemeindeversicherungsverband in Karlsruhe hat festgestellt, dass kommunale Risiken und deren Erfassung,
Analyse, Bewertung und Steuerung zunehmend thematisiert werden.

Unklar bleibt allerdings, wie ausgeprägt das Problembewusstsein für ein professionelles Risikomanagement in der öffentlichen Verwaltung und speziell im Bereich des Vergabewesens tatsächlich ist. Skeptisch ist Kai Birkholz von der Berliner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPM. In einer neueren Untersuchung kommt er zum Ergebnis, dass sich zwar der Finanzsektor
und Industrieunternehmen mit diesem Management-Instrumentarium verstärkt auseinandersetzten, für den öffentlichen Sektor
in Deutschland – und hier insbesondere bei den Kommunen – seien diesbezüglich dagegen „große Defizite zu konstatieren“.

Auch die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) sieht das Risikomanagement im Zusammenhang mit
der doppelten Buchführung der öffentlichen Stellen (Doppik) sowie den Rechenschafts- und Lageberichten. Sie bewertet es jedoch darüber hinaus als „Potenzial zur Optimierung der Entscheidungsfindung und der Entscheidungsdokumentation“. Daher wollen die Experten der KGSt das „kommunalpolitische Risiko- und Chancenmanagement systematisch, organisatorisch
und praxisnah erschließen“.

Der Berliner Kommunalberater Romögbert Roller hält es sogar für notwendig, auch im Krisenmanagement der Kommunen unabhängige Wirtschaftsprüfer einzusetzen, um wirtschaftliche Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Manche kommunalen Betriebe kalkulieren bereits mit Risiken

Die Notwendigkeit für ein Risikomanagement zeigt sich vor allem bei den kommunalen Betrieben, für die das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich aus dem Jahr 1998 gilt. So entstehen beispielsweise bei Versorgungsbetrieben, die sowohl auf der Einkaufsseite als auch auf der Kundenseite immer weniger durch langfristige Verträge gesichert sind, neue Risikobereiche, zu denen neben der Netzverfügbarkeit auch das Preis- und Beschaffungsrisiko zählen können.

Ein Risikomanagement kann ebenfalls sinnvoll sein, wenn bei der Auftragsvergabe zusätzliche Anforderungen an innovative Lösungen
gestellt werden, die mit erheblichen technischen Risiken verbunden sein können. Diese können durch Markt- und Technikanalysen eingeschränkt werden, die Teil des Risikomanagements sind.

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