Direktvergabe von Verkehrsleistungen – Vertrag oder gesellschaftsrechtliche Weisung?

22.07.2019
Von: Regina Dembach
Expertenbeitrag

Mit Beitrag vom 24. April 2019 hatten wir bereits über das EuGH-Urteil zum anwendbaren Rechtsregime bei der Vergabe von Verkehrsleistungen berichtet.

Mit seinem Urteil vom 21. März 2019 hat der EuGH zunächst klargestellt, dass bei einer beabsichtigten Vergabe von Verträgen betreffend Bus- und insofern gleichzustellenden Straßenbahnverkehren an ein kommunales Verkehrsunternehmen danach zu differenzieren ist, ob eine Dienstleistungskonzession oder ein Dienstleistungsauftrag vergeben werden soll. Für die Abgrenzung ist insbesondere maßgeblich, ob durch das Verkehrsunternehmen ein wesentlicher Teil des Risikos, den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt zu sein, getragen wird.

Nach Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts (Beschluss v. 12. Juni 2019 - 2 Verg 1/18) komme es bei einer Betrauungserteilung im öffentlichen Personennahverkehr in Form eines Kreistagsbeschlusses mit gesellschaftsrechtlicher Weisung jedoch auf die Differenzierung zwischen Dienstleistungskonzession oder Dienstleistungsauftrag im vergaberechtlichen Sinne nicht an.

Vielmehr liege in diesem Falle bereits kein Vertrag i. S. d. § 103 Abs. 1 GWB vor, der dem allgemeinen Vergaberecht unterfallen könnte. Der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO 1370/2007 normierte Vorrang des allgemeinen Vergaberechts greife nicht. Es bleibe vielmehr bei der Anwendbarkeit der VO 1370/2007.

Das OLG Düsseldorf teilt diese Auffassung nicht und hat die Frage dem BGH vorgelegt. Die Unterscheidung hat weitreichende Bedeutung für ÖPNV-Vergaben. Mit der Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts könnte der in der Praxis üblichen Gestaltungsform der Betrauungserteilung durch kommunale Gremienbeschlüsse mit gesellschaftsrechtlicher Weisung(-skette) Rechnung getragen werden.

Hintergrund ist, dass der Begriff des öffentlichen Dienstleistungsauftrages doppelt belegt ist. Ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne des allgemeinen Vergaberechts erfasst einen entgeltlichen Vertrag. Der Begriff des öffentlichen Dienstleistungsauftrages im Sinne der VO 1370/2007 erfasst nach deren Art. 2 Buchst. i) neben Verträgen auch andere Rechtsakte, wie z.B. Entscheidungen der zuständigen Behörde, die die Form eines Gesetzes oder einer Verwaltungsregelung aufweisen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass die VO 1370/2007 derzeit jedenfalls bei Vorliegen einer Dienstleistungskonzession anwendbar ist. Liegt hingegen keine Dienstleistungskonzession vor, könnte in Übereinstimmung mit dem Thüringer Oberlandesgericht weiter danach zu differenzieren sein, ob die Betrauung im Wege eines Vertrages oder in anderer Weise erteilt wird. Die weitere Entwicklung bleibt jedoch abzuwarten.

 

Über den Autor:

Regina Dembach, Europajuristin (Univ. Würzburg) ist Rechtsanwältin bei der EY Law GmbH an den Standorten Eschborn sowie Mannheim. Frau Dembach berät öffentliche Auftraggeber und Unternehmen im Bereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Vergaberecht und Beihilfenrecht sowie im ÖPNV-Sektor.

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