Von wem war das Angebot nochmal?

03.08.2020
Von: Dr. Corinna Jürschik
Expertenbeitrag

Die Angebotsabgabe in Textform erfordert Sorgfalt. Zwar lässt sich im Einzelfall eine kleinere Ungenauigkeit ggf. noch durch Auslegung retten. Die Grenze ist aber dann erreicht, wenn sich aus dem Angebot nicht ergibt, wer der Absender des Angebots ist. Eine verbindliche Angebotsabgabe in Textform erfordert daher, dass bei den Bieterdaten der Absender angegeben ist. Ist dies nicht der Fall, liegt nach Ansicht des OLG Karlsruhe nicht einmal eine auslegungsfähige Willenserklärung vor. 

Was war geschehen? 

Bei einer europaweiten Ausschreibung von Sanierungsmaßnahmen wurden die Bieter in den Vergabeunterlagen aufgefordert, die Angebote elektronisch in Textform abzugeben. Nach den Teilnahmebedingungen waren für die Angebotsabgabe Vordrucke zu verwenden. Unter den Vordrucken war auch ein Angebotsschreiben, das mit „Angebot“ überschrieben war. Das Angebotsschreiben sah ein Textfeld für den Namen und die Anschrift des Bieters vor. Der Vordruck des Angebotsschreibens endete außerdem mit einem Textfeld für „Ort, Datum, Stempel und Unterschrift“. Unterhalb des Textfeldes befand sich in Fettdruck der Hinweis, dass ein Angebot ausgeschlossen wird, wenn ein schriftliches Angebot an dieser Stelle nicht unterschrieben, bei einem elektronisch übermittelten Angebot in Textform der Name der natürlichen Person, die die Erklärung abgibt, nicht angegeben oder bei einem elektronischen Angebot, das signiert werden muss, nicht wie vorgegeben signiert wird. 

Ein Unternehmen, die spätere Antragstellerin, nahm auf diesem Vordruck des Angebotsschreibens keine Eintragungen vor und trug auch nicht ein, wer das Angebot abgegeben hat. Es hatte aber das „Deckblatt“ mit Angaben zum Bieter ausgefüllt, das den ausdrücklichen Hinweis enthielt, dass das Deckblatt nicht das Angebotsschreiben aus den Vergabeunterlagen ersetzen kann. Beim Hochladen des Angebots erzeugte die Vergabeplattform automatisch ein Übergabeprotokoll, das unter der Rubrik „Bieterdaten“ auch den Firmennamen und die Anschrift des Unternehmens wiedergab. 

Die Vergabestelle und spätere Antragsgegnerin schloss das Angebot des Unternehmens mit der Begründung aus, dass der Vordruck des Angebotsschreibens nicht unterschrieben bzw. signiert sei. Dagegen wendete sich das Unternehmen zunächst mit erfolgloser Rüge und dann mit Vergabenachprüfungsantrag an die Vergabekammer Baden-Württemberg. Das Unternehmen argumentierte im Wesentlichen, dass das Angebot ausgelegt werden könne und anhand der Gesamtumstände der Absender ermittelbar sei. Die Vergabekammer folgte dem nicht und wies den Nachprüfungsantrag des Unternehmens zurück. Das Unternehmen hat sich deshalb mit sofortiger Beschwerde an das OLG Karlsruhe gewandt. Es beantragte, die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und der Vergabestelle zu untersagen, das Angebot des Unternehmens auszuschließen. Außerdem forderte das Unternehmen, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zu verlängern, um den Zuschlag weiterhin zu verhindern. 

Entscheidung des OLG Karlsruhe 

Ohne Erfolg! Das OLG Karlsruhe hat die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt. 

Bei der Entscheidung über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde sind folgende Punkte zu berücksichtigen (§ 173 Abs. 2 GWB): 

  • das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben eines öffentlichen Auftraggebers 
  • die Erfolgsaussichten der Beschwerde 
  • die allgemeinen Aussichten des Antragstellers, den Auftrag zu erhalten 
  • das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens 

Das OLG Karlsruhe kam zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens in dieser Sache überwiegt. Nach Auffassung der Karlsruher Richter wurde das Angebot des Unternehmens zu Recht nach VOB/A EU 2019 ausgeschlossen, weil es die geforderte Form nicht eingehalten hat. 

Die Begründung der Richter 

Zur Begründung führte das OLG Karlsruhe aus, dass das Unternehmen die geforderte Textform nicht eingehalten hat. Die in § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2019 vorgesehene Textform im Sinne von § 126b BGB verlangt, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben wird. Dabei muss die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Unterschrift oder im Fall der Textform durch Eintragung des vollständigen Namens erkennbar gemacht werden. Dadurch wird das jeweilige Dokument abgeschlossen und rechtlich verbindlich. 

Im Angebot des Unternehmens war die Person des Erklärenden gar nicht erst genannt und der Abschluss der Erklärung nicht kenntlich gemacht; das Unternehmen hatte das Angebotsformular nicht ausgefüllt, sondern unausgefüllt auf die Vergabeplattform hochgeladen. Nach den Vorgaben der Vergabestelle handelt es sich bei dem Angebotsformular um eine maßgebliche Erklärung, aus der sich ergeben muss, wer das Angebot abgibt. Das ausgefüllte Deckblatt ersetzt das Angebotsschreiben nicht. 

Das Angebot konnte deshalb auch nicht nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt und dadurch gerettet werden. Es fehlt dafür schon an einer Erklärung, die ausgelegt werden könnte. Denn das Unternehmen hat das Angebotsschreiben unausgefüllt und damit ohne eigene Erklärung abgegeben. 

Unerheblich war nach Auffassung des OLG Karlsruhe dabei, dass die Vergabestelle die Art der Kennzeichnung der Angebote nicht den Bietern überließ. Im Gegenteil: Sie verlangte die Angabe des Namens und nahm damit ggf. eine Verschärfung des Schriftformerfordernisses vor. Das Unternehmen hatte die Vorgabe nicht gerügt und war deshalb auch mit einem entsprechenden Vorbringen ausgeschlossen (präkludiert) worden. 

Praxishinweis 

Für die formwirksame Abgabe eines Angebots in Textform ist es nicht ausreichend, wenn auf irgendeine Weise die Identität des Bieters ermittelt werden kann. Indem durch das OLG Karlsruhe entschiedenen Fall konnte zwar durch die verwendete Software der Absender der Erklärung theoretisch ermittelt werden. Das OLG Karlsruhe arbeitet aber sauber heraus, dass „irgendeine Identifikation“ für die Textform nicht ausreichend ist. Die Textform nach § 126b BGB erfordert vielmehr, dass der Erklärende genannt und dem Angebot zugeordnet werden kann. Zu berücksichtigen war sicher auch, dass die Vergabestelle ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass fehlende Eintragungen im Angebotsschreiben zum Ausschluss des Angebots führen würden. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe führt deshalb einmal mehr vor Augen, dass Bieter bei der Angebotsabgabe die formellen Vorgaben des Auftraggebers beachten und genau abbilden müssen. Anderenfalls droht der Angebotsausschluss. 

Quelle

Dr. Corina Jürschik, LL.M. ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Vergaberecht bei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mbB in Stuttgart. Sie ist seit vielen Jahren im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe tätig. Sie unterstützt Bieter und Bewerber in Vergabeverfahren bei der Wahrung ihrer Rechte und berät öffentliche Auftraggeber bei der rechtssicheren Gestaltung von Vergabeverfahren.

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