Stuttgart. Der Streit um die Polizeireform in Baden-Württemberg geht weiter. Während die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und CDU den Kompromissvorschlag von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verteidigten, die Zahl der Polizeipräsidien von 12 auf 13 zu erhöhen, kritisierten die Sprecher der Oppositionsparteien AfD, SPD und FDP, dass die Landesregierung nicht den vom Lenkungsausschuss (EvaPol) präferierten Reformvorschlag mit 14 Polizeipräsidien im Südwesten realisieren will.
Den Grünen sei die Innere Sicherheit wenig wert und 14 Präsidien zu teuer, kritisierte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke in der von seiner Fraktion beantragten Debatte „Die Polizei in Baden-Württemberg – Polizeireform, Evaluierung, Korrekturbedarf“. Die CDU sei in der Reformdiskussion zerstritten, die Grünen würden das Geld lieber für ihr Ökologie-Offensive und Personal im Umweltreferat ausgeben. Das Gerangel um den Kompromiss erinnerte Rülke an „einen orientalischen Basar“; die Entscheidung sei nicht nach polizeifachlichen Überlegungen getroffen worden.
Wie nervös die Novellierung der Polizeireform von 2014 – damals reduzierte Grün-Rot die Zahl der Präsidien von 38 auf 12, was die CDU heftig kritisierte – die grün-schwarzen Koalitionäre inzwischen macht, wurde dadurch deutlich, dass die Regierungsfraktionen auf einen Antrag der FDP-Fraktion, das 14er-Modell umzusetzen, reagierte und kurzfristig einen Änderungsantrag einbrachte. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, die Zahl der regionalen Präsidien auf zunächst 13 vorzunehmen und zu gegebener Zeit die Option einer Modifizierung zu 14 regionalen Präsidien entsprechend dem Lenkungsausschuss erneut zu prüfen.
Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) ließ über den Änderungsantrag abstimmen, obwohl der FDP-Antrag weitergehend er war. Nach einer Sitzungsunterbrechung wurde dann die bereits erfolgte Abstimmung mit einer namentlichen Abstimmung wiederholt. Dabei votierten 83 Abgeordnete von CDU und Grünen für den Antrag, aus den Reihen der Opposition gab es 50 Nein-Stimmen. Zuvor hatte Rülke seinen CDU-Fraktionschef-Kollegen aufgefordert, sich ein Beispiel an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu nehmen, Gewissensfreiheit zu gewähren und wie bei der Bundestags-Abstimmung zur Ehe für alle den Fraktionszwang aufzuheben.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte, er wolle die Polizei im Land „bestmöglich aufstellen“. Die Bilder der „puren Lust auf Gewalt und Zerstörung“ beim Gipfel in Hamburg machten betroffen. Viele würden sich gefallen, die Gewaltexzesse zu relativieren, stellte der Minister unter dem Beifall des ganzen Hauses fest. Jetzt gelte es, die Polizei bestmöglich aufzustellen. Wichtiger als die Frage, wo ein Präsidium stehe, sei für ihn, mehr Polizisten auf die Straße zu bringen. Dieses zentrale Versprechen habe die SPD mit der Polizeireform 2014 nicht erfüllt. Das Land werde außerdem die Ausbildungskapazitäten nochmals erhöhen. Aus Sicht von Strobl bleibt die 13er-Lösung „in der Linie des Expertenrates“, auch wenn es dort eine Präferenz für das 14er-Modell gab. Grün-Schwarz habe sich jedoch für 13 Präsidien entschieden. Mit der Reform der Polizeireform würden „weit über 90 Prozent“ dessen umgesetzt, was die Kommission vorgeschlagen habe.
Für die Grünen wies Andreas Schwarz die Vorwürfe der Liberalen zurück. Die Sicherheit stehe für seine Fraktion und die Koalition „an oberster Stelle“. 1500 Stellen bei der Polizei seien neu geschaffen worden. „Wir haben keine Flanke“. Bei der Inneren Sicherheit sei Baden-Württemberg auf dem richtigen Weg. Schwarz erklärte, 14 Präsidien seien „zu teuer“. Die FDP wolle die Polizei von der Basis abziehen.
Die Innere Sicherheit sei auch für die CDU ein „zentrales Anliegen“, sagte Fraktionschef Wolfgang Reinhart. Die Ereignisse beim G20-Gipfel in Hamburg hätten gezeigt, „dass wir die Polizei stärken müssen“. Es dürfe keine rechtsfreien Räume in Baden-Württemberg geben. Reinhart räumte Handlungsbedarf ein; der Südwesten sei zwar das sicherste Bundesland, aber die Strukturen seien nicht optimal. „Die Polizeireform war mangelhaft“, konstatierte der CDU-Politiker. Nun gebe es eine sichere Planung, auch im Hinblick auf den Höhepunkt der Pensionierungswelle bei der Polizei im Jahr 2021. Mit dem 14. Präsidium werde sich Grün-Schwarz später befassen, die bei der Polizeireform 2014 gemachten Fehler „können wir nur in kleinen Schritten korrigieren“.
Die AfD-Fraktion sprach von einem „faulen Kompromiss“ und plädierte für ein Präsidiumsmodell 14plus. Lars Patrick Berg warf den Grünen vor, sie würden sich weigern, die Polizei bestmöglich zu unterstützen. Grün-Schwarz habe weiter unprofessionell gewurschtelt und die Reform der Reform zu einer Hängepartie werden lassen. Auch der Innenminister lasse „alles laufen“.
Kritik an Strobl kam auch von der SPD. Er sei nicht in der Lage, den Prozess der Reform „ordentlich zu Ende“ zu bringen, so dass der Ministerpräsident mit einem Kompromiss habe einschreiten müssen, sagte Sascha Binder (SPD). Die Polizei wisse weiter nicht, wohin bis 2020 die Reise gehe. Beim Streit zwischen Grünen und CDU sei die Polizei Nebensache gewesen. Es sei nur Halbgares bei den Beratungen herausgekommen.