Stuttgart. Die Abgeordneten von Koalition und Opposition haben sich an diesem Mittwoch einen heftigen Streit über die Zukunft der Realschulen geliefert. "Die Landesregierung gibt den Realschulen eine klare Zukunftsperspektive", sagte Stefan Fulst-Blei (SPD). Georg Wacker (CDU) hingegen spricht von einer Benachteiligung der Realschulen bei Lehrerstellen, Mitteln und Ausstattung gegenüber der Gemeinschaftsschule.
Hintergrund für die von der SPD beantragte Debatte "Die gute Zukunft der Realschulen in Baden-Württemberg" ist das vergangene Woche von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) vorgestellte Konzept für die Weiterentwicklung der Realschulen. Danach sollen die Realschulen ab dem Schuljahr 2016/2017 neben der mittleren auch die grundlegende Niveaustufe anbieten. Die Realschulen werden demnach in Zukunft neben der Realschulabschlussprüfung nach Klasse 10 zusätzlich auch die Hauptschulabschlussprüfung nach Klasse 9 in eigener Zuständigkeit abnehmen können.
Vorgesehen ist ferner, dass für jeden Schüler der Realschule nach einer zwei Jahre dauernden Orientierungsstufe festgelegt wird, auf welchem Niveau er im darauffolgenden Schuljahr lernt. Die Niveauzuweisung kann, so Stochs Konzept, nach jedem Schuljahr angepasst werden. Nach der Orientierungsstufe werden die Schüler, unabhängig vom jeweiligen Leistungsniveau, gemeinsam unterrichtet. Die Realschulen können aber in den Klassenstufen 7 und 8 zeitweise eine äußere Differenzierung in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik vornehmen.
Wacker kritisierte für die CDU, dass in dem Konzept kein klares Profil erkennbar sei und verwies darauf, dass die Realschulrektoren hinter dem Programm der CDU stünden. Dieses sieht zwar auch die Möglichkeit vor, dass Realschulen einen Hauptschulabschluss anbieten können. Doch dazu sollen die Schüler spätestens ab Klasse sieben getrennt oder leistungsdifferent in zentralen Fächern unterrichtet werden, "so dass die Schüler gut auf ihren Abschluss vorbereitet werden", so Wacker. Und der CDU-Politiker machte auch deutlich: "So wird es mit uns keinen Schulfrieden geben." Dazu hatte Finanzminister Nils Schmid (SPD) am Wochenende bei einem Bildungskongress seiner Partei alle Fraktionen aufgerufen.
Auch Timm Kern (FDP) äußerte Zweifel am Konzept des Kultusministeriums. Er stellte die Frage, ob es sich um "ein Realschulupgrade oder einen Gemeinschaftsschultrojaner" handele. Er sah noch zahlreiche offene Fragen, etwa was das Unterrichten auf verschiedenen Niveaus konkret für das Sitzenbleiben bedeute oder ob es auch an den Realschulen - vergleichbar den Gemeinschaftsschulen - keine Noten geben sollte. Zugleich sprach er sich für einen Schulfrieden aus: "Wir als FDP gehen ohne Vorbedingungen in die Gespräche", so Kern.
Sandra Boser (Grüne) warf der CDU vor, dass sie in ihrer Regierungszeit die Antworten auf zentrale bildungspolitische Fragen schuldig geblieben sei. Es habe keine Konzept für die Ganztagsschule oder die Inklusion gegeben, nennt sie Beispiele. Auch für die Realschule sei nichts getan worden. Sie sei die Schulart mit der höchsten Heterogenität gewesen, doch die CDU habe kein Konzept für die Weiterentwicklung vorgelegt. "Wir geben den Realschulen ein Konzept mit auf den Weg, um mit der Heterogenität umzugehen", sagte Boser. Stefan Fulst-Blei (SPD) ergänzte, dass Grün-Rot auch erstmals Poolstunden für Realschulen eingeführt habe. Diese habe es unter der CDU ebenfalls nicht gegeben.
Fulst-Blei begrüßte Stochs Konzept: "Die Kinder werden in Zukunft nicht schubladisiert. Sie können sich hocharbeiten." Mit dem Konzept für die Realschulen seien die Leitplanken für die Weiterentwicklung der Schullandschaft in Baden-Württemberg geschaffen worden. Und er ergänzte: "Eltern und Lehrer wünschen sich eine nachhaltige Schulentwicklung und ein Ende des Parteiengezänks.
Kultursminister Andreas Stoch warf CDU und FDP vor, keine Antworten auf grundlegende Probleme in der Bildungspolitik zu haben, weder auf die 400 geschlossenen Hauptschulen oder auf die fehlende Bildungsgerechtigkeit noch auf die Herausforderungen des demografischen Wandels. Im Zentrum aller bildungspolitischen Debatten müsse deshalb die Frage stehen, "wie können wir den Kindern und Jugendlichen in unseren Schulen in einer sich verändernden Gesellschaft gerecht werden". Erst wenn das klar sei, könne mit der Opposition ein echter Diskurs über pädagogische Fragen und Konzepte geführt werden.