STUTTGART. Die Abgeordneten im Landtag wollen besser im Alter versorgt werden. Die Fraktionen von Grünen, CDU und SPD brachten in der ersten Sitzung nach der Sommerpause einen gemeinsamen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der den Eintritt baden-württembergischer Abgeordneter in das bestehende Versorgungswerk der Mitglieder der Landtage von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zum 1. Dezember ermöglichen soll.
Die Regelung soll automatisch für alle Abgeordneten gelten, die 2021 neu in den Landtag gewählt werden. Abgeordnete, die seit 2006 dem Parlament angehören, können bis zum 30. April 2031 eine Befreiung von der Beitragspflicht beantragen und ihre bisherige Altersvorsorge fortführen. Abgeordnete, die 2001 oder früher gewählt wurden, kommen noch in den Genuss der staatlichen Altersvorsorge (Pension).
Geplant hatten die Fraktionen ursprünglich etwas anderes: Im Februar 2017 beschloss der Landtag in einer Nacht- und Nebelaktion die Rückkehr zur lukrativen Staatspension. Anlass dafür war, dass sich Abgeordnete, die seit 2006 dem Landtag angehören, gegenüber den Parlamentariern, die schon länger im Parlament sitzen, benachteiligt fühlten. Denn 2008 hatte der Landtag beschlossen, dass die Abgeordneten selbst fürs Alter vorsorgen sollten. Damals wurden die Diäten im Gegenzug um 30 Prozent erhöht, zudem gab es einen monatlichen Zuschuss für die Altersvorsorge, der inzwischen auf 1805 Euro gestiegen ist. Gegen die Rückkehr zur Staatspension hagelte es massive öffentliche Kritik, so dass der Landtag das Gesetz kurze Zeit später wieder kassierte. Darauf wurden eine unabhängige Kommission und ein Bürgerforum eingesetzt, die sich für den Beitritt in ein Versorgungswerk aussprachen.
Mit der Rückkehr zur staatlichen Versorgung habe man einen Fehler gemacht, räumte Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) ein. Das Ziel der neuen Gesetzesvorlage sei es, eine angemessene Altersversorgung der Abgeordneten bei gesellschaftlicher Akzeptanz zu schaffen. „Die Entscheidung nimmt uns niemand ab“, sagte Sckerl unter Hinweis auf die Tatsache, dass Parlamentarier ihre Diäten, Zuwendungen und Altersvorsorge selbst regeln. Die Altersversorgung müsse gerecht und angemessen sein. Gleichzeitig äußerte der Grüne Verständnis dafür, dass nicht alle Fraktionen – wie die AfD und FDP – mit dem Gesetzentwurf einverstanden sind.
Von einem „langen, beschwerlichen Weg“ sprach Nicole Razavi (CDU). Nun liege eine „seriöse, sachgerechte, faire, vermittelbare, ausgewogene und vernünftige Lösung“ vor. Die Reform der Altersvorsorge sei legitim und bringe Sicherheit für alle im Parlament und für künftige Abgeordnete. Razavi räumte ein, dass die CDU es „lieber gesehen hätte, wenn das Geld im Lande geblieben wäre“ und nicht in ein Versorgungswerk anderer Bundesländer fließen würde.
Reinhold Gall (SPD) sagte, die vorgeschlagene Neuregelung sei auf drei Säulen aufgebaut, und zwar auf Expertengutachten, die Erfahrungen und Regelungen anderer Länderparlamente und die Einschätzung des Bürgerforums. Es werde kein Neuland betreten, es gebe keine Sonderregelung für Baden-Württemberg: „Wir wählen eine der vorhandenen Möglichkeiten zur Sicherung der Altersversorgung und wir schließen eine objektive, festgestellte Lücke im Bereich der Hinterbliebenenversorgung“, erklärte Gall.
Dagegen konstatierte Emil Sänze (AfD), ein „langes Drama“ nehme sein Ende oder beginne neu. Die Rückkehr zur Staatspension sei an den Protesten der Öffentlichkeit gescheitert, die Gesetzesvorlage trage das Label „wir haben verstanden“. Sänze kritisierte, dass sich die Abgeordneten durch den Beitritt zum Versorgungswerk „aus der Solidargemeinschaft schleichen“, statt, wie andere Berufstätige, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Auch von Unterversorgung könne keine Rede sein: Während die Abgeordneten 1805 Euro monatlich für ihre Altersvorsorge erhalten, betrage die Durchschnittsrente bei Männern 1590 Euro und bei Frauen in Deutschland 622 Euro. Die maximale Rente liege nach 45 Jahren Arbeit bei 2400 Euro.
Auch die FDP-Fraktion ist weiterhin dafür, dass Abgeordnete privat vorsorgen. „Was die Politik dem Bürger abverlangt, muss sie auch selbst leben“, stellte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke fest. Und sich nicht besser stellen wollen als „normale“ Bürger. Deshalb habe die FDP 2008 der Abkehr von den Staatspensionen zugestimmt und die Rolle rückwärts von Grünen, CDU und SPD 2017 abgelehnt. Den nun gewünschten Beitritt zum Versorgungswerk lehnen die Liberalen ebenfalls ab. Der Beitritt in ein von Nordrhein-Westfalen dominiertes Versorgungswerk – in der Führung sitzen fünf Vertreter von Nordrhein-Westfalen und je zwei von Brandenburg und Baden-Württemberg – werde zu höheren Kosten führen und den Steuerzahler mehr belasten. Die FDP plädiert weiterhin für eine eigenverantwortliche Vorsorge der Abgeordneten.
Auch nach Ansicht des Bunds der Steuerzahler wäre es besser gewesen, die Abgeordneten würden in die gesetzliche Rentenversicherung gehen. „Aber die nun vorgeschlagene Regelung über das Versorgungswerk ist allemal besser als die Rückkehr zur Staatspension.“ Ein schaler Beigeschmack entstehe aber, weil das Land 1,2 Millionen Euro in das Versorgungswerk einbringen müsse, um sich an der bestehenden Verlustrücklage zu beteiligen. Hinzu kommen Verwaltungskosten in Höhe von rund 185 000 Euro im Jahr. Auch sie belasteten die Steuerzahler.