Grün-Schwarz gegen gebührenfreie Kitas

19.12.2018 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die Regierungskoalition von Grünen und CDU sowie Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) lehnen die von der SPD geforderte Gebührenfreiheit für Kindertagesstätten in Baden-Württemberg ab. Kostenlose Kitas würden Abstriche bei der Qualität der Betreuung, bei den Fachkräften und der Sprachförderung bedeuten, sagte die Ministerin am Mittwoch in der von der SPD-Fraktion beantragten aktuellen Debatte.

Das Land habe in diesem Jahr 932 Millionen Euro für die Kleinkindbetreuung aufgewendet. 2019 steige diese Zahl auf mehr als eine Milliarde Euro. Auch die Kindergartenförderung werde nach der Einigung zwischen dem Land und den Kommunen bis 2021 stufenweise auf mehr als eine Milliarde Euro erhöht und damit nahezu verdoppelt.

Eisenmann begrüßte ausdrücklich das Gute-Kita-Gesetz des Bundes; Baden-Württemberg erhalte daraus 720 Millionen Euro und wolle diese zur noch intensiveren, „bestmöglichen qualitätsvollen Betreuung“ einsetzen. Allerdings bedeute die bis 2022 laufende Förderung keine dauerhafte Förderung und sei deshalb nicht verlässlich. Bei einer dauerhaften Förderung wäre es ein „Sehr-Gutes-Kita-Gesetz, sagte sie.  

Beitragsfreiheit gehe jedoch in eine „völlig falsche Richtung“ und sei „für uns kein Thema“. Nach Umfragen seien auch Eltern für mehr Qualität statt Beitragsfreiheit. Zudem schaffe Gebührenfreiheit keinen zusätzlichen Anreiz für den Kita-Besuch. Land und Kommunen hätten deshalb beschlossen, dass Investitionen in die Qualität Vorrang vor der Gebührenfreiheit haben sollen. Mit dem Pakt für gute Bildung und Betreuung würden Sprachförderung intensiviert, Inklusion unterstützt, die Kindertagespflege gestärkt und eine Ausbildungsoffensive für Fachkräfte gestartet.

Ministerin verweist auf „deutlich besten Betreuungsschlüssel“

Nach Aussage der Kultusministerin verfügt Baden-Württemberg über den „deutlich besten Betreuungsschlüssel“ bundesweit: „In Berlin betreut eine Bildungskraft doppelt so viele Kinder wie in Baden-Württemberg.“ Die CDU-Politikerin will die zusätzlichen finanziellen Spielräume durch das Gute-Kita-Gesetz nutzen, um gezielt die Qualität der Betreuung zu verbessern. „Davon profitieren alle Kinder und alle Familien im Land“, stellte Eisenmann fest.

Die Gebührenfreiheit müsse jetzt endlich kommen, hatte Andreas Stoch zuvor gefordert. Wenn Kitas Bildungseinrichtungen seien, müssten sie genauso gebührenfrei angeboten wie Schulen und Hochschulen. „Alles andere ist doch vollkommen unlogisch“, sagte der Fraktionschef der SPD, die ein Volksbegehren dafür beantragen möchte. Er verwies auf einige Kommunen, in denen der Kita-Besuch bereits gebührenfrei sei. Die SPD in der grün-roten Landesregierung habe 2011 eine Wende eingeleitet und endlich für Priorität der frühkindlichen Bildung im Vorschulalter gesorgt. Die 2012 eingeführte Praxisintegrierte Ausbildung werde nun sogar „eine Blaupause“ für die Fachkräfteoffensive des Bundes im nächsten Jahr.

Nun müsse Baden-Württemberg auch ein deutliches Zeichen bei der Gebührenfreiheit setzen. „Kinder dürfen keine Belastung sein, sie sind ein Geschenk und unsere Zukunft“, konstatierte Stoch. Sein SPD-Kollege Daniel Born warf der Landesregierung vor, ihr fehle „Plan und Konzept“. Kita-Gebühren seien eine „Besteuerung von Familien“; Gebühren zwischen 200 und 800 Euro müssten deshalb abgeschafft werden. 

Brigitte Lösch (Grüne) lehnte den SPD-Vorschlag ab – dieser sei „höchst unseriös“ und „hilft uns nicht weiter“. Land sowie Kommunen und Träger von Kitas seien sich einig, dass die Qualität und die Qualifizierung Vorrang haben. Dafür würden den Kommunen im Rahmen des Pakts für gute Bildung und Betreuung 80 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Beitragsfreiheit sei zwar eine wünschenswerte Forderung, aber für Grün-Schwarz stünden der Ausbau der Kita- und Kindergarten-Plätze und die Qualität in den Einrichtungen an erster Stelle. Zudem dürfe Beitragsfreiheit nicht mit der Gießkanne erfolgen. Lösch sprach sich dafür aus, bei „den ärmsten Familien“ zu beginnen. Es gebe bereits sozialgerechte Staffelungen der Beiträge nach Einkommenskriterien.

Auch Sabine Kurtz (CDU) sprach sich gegen die Gebührenfreiheit aus. Sie sei weder quantitativ noch qualitativ ein geeignetes Mittel. Sie verwies auf die bestehende familienbezogene Sozialstaffelung bei den Gebühren. Außerdem reiche der Anteil für Baden-Württemberg (718 Millionen Euro) aus dem Gute-Kita-Gesetz nicht, um allen Kindern im Südwesten Gebührenfreiheit zu gewähren; dafür seien 730 Millionen Euro jährlich notwendig.

CDU verweist auf Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung

Ihrer Fraktion gehe es „nicht nur um Kita-Plätze, damit Eltern zur Arbeit gehen können“. Vielmehr müsse man sich jetzt auf die Qualität konzentrieren und die Bundesmittel vor allem für Leitungszeit einsetzen. Die Unterstützung des Bundes bezeichnete Kurtz als „sinnvoll“, dem Land werde „nichts übergestülpt“. Zudem halte die CDU am Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung fest.

Trotz sinkender Geburten explodiere in Deutschland die Zahl der fremdbetreuten Kinder, sagte Carola Wolle (Grüne). Sie begrüßte die Wahlmöglichkeit der Frauen, berufstätig zu sein oder ihre Kinder zu erziehen. Viele Familien seien auf das Erwerbseinkommen der Mütter angewiesen. Dennoch seien Frauen „früher an den Herd, heute an den Job gekettet“. Für Wolle ist die Fremdbetreuung von Kindern unter drei Jahren „nicht sinnvoll“; diese sei nicht gut für die Kleinkinder und soll die Ausnahme und nicht die Regel sein. Die AfD-Abgeordnete forderte auch, dass Migranten-Kinder in den Kindertagesstätern Deutsch sprechen und nicht in ihrer Muttersprache: „Sonst entstehen Parallelgesellschaften.“

Die FDP-Fraktion hält es für richtig, Beitragsfreiheit vorzusehen. „Aber nur für diejenigen Eltern, welche die Beiträge nicht aufbringen können“, wie Timm Kern (FDP) betonte. Angesichts einer Besuchsquote von 99 Prozent im letzten Kindergartenjahr und bundesweit von 95 beziehungsweise 97 Prozent bei den 4- und 5-Jährigen müsste die Qualität im frühkindlichen Bereich vorangebracht werden. Da die Beitragsfreiheit nur einer von zehn Qualitätsbausteinen des Gute-Kita-Gesetzes ist, könnten die Länder und Kommunen unter diesen auswählen.

Der Freidemokrat sprach sich dafür aus, die Mittel aus Berlin in Leitungszeit zu investieren und damit die Qualität zu verbessern. Kern mahnte zudem, die Tageseltern nicht zu vergessen. Diese müssten bei allen Fördermaßnahmen für die Betreuungseinrichtungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Vor allem an Randzeiten frühmorgens und spätabends seien Tageseltern häufig im Einsatz.


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