Ganztag: Grüne und CDU setzen unterschiedliche Akzente

07.10.2021 
Redaktion
 

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Stuttgart. "Wir sind der Treiber einer qualitativ hochwertigen Ganztagsbetreuung", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor dem Landtag, "aber Wünschen allein reicht nicht, man muss es auch realisieren können, und zwar unter Beachtung der Schuldenbremse, die wir gemeinsam in unsere Landesverfassung geschrieben haben."

Übersetzt heiße das, nicht derjenige sei der Motor des Fortschritts, "der die größten Versprechungen in die Welt bläst, sondern derjenige, der seine Ziele mit konkreten Maßnahmen hinterlegt und sie solide finanziert", so der Regierungschef.

Weiter in der Pflicht sieht Kretschmann den Bund, auch weil der sich nicht auf eine automatische Dynamisierung der Kosten habe festlegen lassen. "Wie groß der Finanzbedarf sei, werde sich erst in der Umsetzung zeigen, sagte Kretschmann, der sich selbe dafür lobte, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen zu haben. Denn die gesetzlichen Vorgaben in der Ursprungsform "hätten den eigenen Landeshaushalt in den Ruin geführt".

Ex-Kultusminister Stoch kritisiert CDU

Ex-Kultusminister und SPD-Fraktionschef Andreas Stoch widersprach vehement, weil der große Nachholbedarf im Land Ergebnis der jahrzehntelangen Versäumnisse von CDU-geführten Landesregierungen sei. Erst Grün-Rot habe die Ganztagsschule ins Schulgesetz aufgenommen, seit 2016 stocke jedoch die Entwicklung: "Das waren fünf verlorene Jahre." Und er kritisierte, wie über einen zentralen Punkt hinweggeredet werde. Denn die Grünen hätten in der gemeinsamen Regierungszeit zwischen 2011 und 2016 den guten rhythmisierten verbindlichen Ganztag favorisiert, die CDU singe dagegen "das alte Lied von kommunalen Bildungsangeboten".

Tatsächlich warnte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz davor, "zu kurz zu greifen" und den Ganztag im 21.Jahrhundert als eine Betreuungsfrage zu sehen: "Ganztag ist dann pädagogisch sinnvoll, wenn der Tag einen Rhythmus hat, wenn sich Zeiten zum Lernen und Zeiten zum Spielen abwechseln."  Das berücksichtigten "gut aufgestellte Ganztagesschulen, die selbstverständlich externer Angebote einbinden, Musikschulen, Kunstschulen, Vereine, denn das alles macht den Ganztag erst vielfältig und lebendig".

CDU-Fraktionschef Manuel Hagel dagegen warb dafür, den Elternwillen ernst zu nehmen. Es gehe um echte Wahlfreiheit für die Familie und nicht eine von oben verordnete, verbindliche Ganztagsschule. Die Angebote dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, zumal sich die Eltern in Baden-Württemberg Flexibilität und Qualität wünschten. Mit dem Rechtsanspruch werde der Bildungsrepublik ein "richtiger Schub" gegeben.  Die Umsetzung werde "nicht von heute auf morgen gehen, es braucht noch harte Arbeit, aber diese Arbeit wird sich lohnen". Es gehe um Chancengerechtigkeit am Ziel und nicht um Ergebnisgleichheit am Ende.

FDP fordert Planungssicherheit für Kommunen

Einigkeit immerhin bestand über die Einrichtung einer neuen Föderalismuskommission. Auch die Fraktionschefs von Sozialdemokraten und Liberalen unterstützten die Idee. Hans-Ulrich Rülke (FDP) sprach sich grundsätzlich für eine Neuordnung der Beziehungen aus. Zugleich verlangte er vom Ministerpräsidenten, den Kommunen Planungssicherheit zu geben "anstatt sich eines vermeintlichen Verhandlungserfolges zu rühmen". Denn die Kommunen sähen sich mit Gerichtsurteilen und einem Entrüstungssturm der Öffentlichkeit konfrontiert, wenn der Rechtsanspruch vor den Gerichten lande, weil Ganztagsangebote an Grundschulen nicht überall verfügbar sind. Zu Recht betonten die kommunalen Spitzenverbände, dass die Länder nun in der Pflicht stehen, die neue Milliardenaufgabe gegenüber ihren Landkreisen und Städten zu finanzieren.

Für die AfD wollte ihr Vorsitzender Bernd Gögel "eine andere Weltanschauung" vertreten: "Beim Rechtsanspruch auf Ganztagsplätze für Grundschüler gehen wir als AfD-Fraktion grundsätzlich mit". Von einem Angebot des Ganztags sei der Schritt zum verpflichtenden Ganztag leider nicht mehr weit und vereinzelt schon eingeführt. "Hier ist für uns eine rote Linie überschritten. Auch wenn der totale Zugriff des Staates von der Wiege bis zur Bahre gut ins sozialistische Weltbild von Rot und Grün passen mag", so Gögel. Er sei grundgesetzwidrig und unmenschlich. Solchen Tendenzen werde sich die AfD-Fraktion daher stets entschlossen entgegenstellen." 


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