Koalition und Opposition uneinig über Wert des Pakts für Integration

06.04.2017 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Zwischen den Regierungsfraktionen und der Opposition  im Landtag herrscht Uneinigkeit  über den Wert des von der Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden geschlossenen Pakts für Integration. So bezeichnete der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz die Vereinbarung als Pakt „mit Hand und Fuß und mit Herz und Verstand“. Dieser bringe „Qualität“ in die Integrationsarbeit und liefere „einen wichtigen Baustein“ für die Kommunen, sagte Bernhard Lasotta (CDU).

Dagegen kritisierte Christina Baum (AfD), durch den Pakt würden die Kommunen „nur kurzfristig entlastet“, aber keine Integrationsprobleme gelöst. Sabine Wölfle (SPD) hielt Grün-Schwarz vor, was die Koalition als Wohltat deklariere, sei in Wahrheit „eine Umwidmung von Bundesmitteln und ein Griff in die Kassen der Kommunen“. Und Jürgen Keck (FDP) bezeichnete es als „grotesk“, dass Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) „mit klebrigen Fingern agiert“, in dem er von insgesamt 780 Millionen Euro, die das Land vom Bund für Integration erhält, nur 320 Millionen Euro für dieses und nächstes Jahr an die Kommunen weiterreiche.

Lucha: Pakt setzt bundesweite Maßstäbe

Lucha konterte, das Land habe große Fortschritte bei der Integration und Teilhabe von Migranten erreicht, gab aber auch zu: „Die aktuelle Herausforderung, die Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft, steht unserem Land noch bevor.“ Der Pakt setze bundesweite Maßstäbe und habe eine singuläre Stellung und Vorbildfunktion. Mit dem Pakt stellt das Land den Kommunen 2016 und 2017 insgesamt 320 Millionen Euro zur Verfügung. Mit 180 Millionen Euro würden Städte, Gemeinden und Kreise bei den Kosten für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen entlastet. Weitere 140 Millionen Euro seien für konkrete Integrationsförderprogramme vorgesehen.

„Aus Geflüchteten sollen Mitbürger werden, aus Betroffenen Beteiligte“, nannte Lucha als Ziel. Kernstück des Pakts sei die Förderung von rund 1000 Integrationsmanagern, für die das Land den Kommunen in den nächsten 24 Monaten jeweils 116 Millionen Euro überweist. „Jeder geflüchtete Mensch soll möglichst bald über eigenen Wohnraum verfügen und unabhängig von öffentlichen Leistungen sein“, formulierte der Minister das Ziel. Dafür seien Beratung und Begleitung der Flüchtlinge notwendig. Mit dem Pakt würden aber auch der Übergang von Schule in den Beruf, Spracherwerb sowie bürgerschaftliche Strukturen und Ehrenamt flankierend gefördert.

CDU will Effizienz von Integrationsmaßnahmen prüfen

Grün-Schwarz kümmere sich um „gelingende Integration“, sagte Andreas Schwarz. Flüchtlingen soll geholfen werden, eigenständig den Weg in die Gesellschaft zu finden. Besonders junge Flüchtlinge dürften jetzt nicht allein gelassen werden. „Fördern und fordern – das ist der Leitsatz, dem wir uns bei diesem Thema stellen“, erklärte Schwarz.

Bernhard Lasotta nannte dazu drei Bereiche, die für die CDU-Fraktion wichtig sind. Da fast jedes Ministerium „irgendwo involviert“ sei ins Thema, müsse Integration „stärker gebündelt“ und ein Gesamtpaket geschnürt werden. Migranten sollten „Teil unserer Gesellschaft“ werden, aber wer sich weigere und der Integration verschließe, könne nichts bekommen. Außerdem will die CDU die Effizienz von Integrationsmaßnahmen prüfen, um die Qualität zu verbessern.

Christina Baum kritisierte, die „massenhafte illegale Einwanderung“ sei auf die Kommunen abgewälzt und das Problem nach unten durchgereicht worden. Jetzt setze man „mit ein bisschen Geld“ den Kommunen die Pistole auf die Brust. Dies sei „an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten“ und „eine Täuschung der Bevölkerung“. Sie warf Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor, die Flüchtlinge „hier ansiedeln“ zu wollen; dabei hätten die meisten „hier keine Perspektive“ und das Asylrecht sei zeitlich begrenzt, weshalb die Menschen „wieder in ihre Länder zurück müssten“.

SPD: Offen ist wie es in zwei Jahren weitergehen soll

Ein echter Pakt sehe anders aus, kritisierte Sabine Wölfle. „Sie geben nur scheinbar Geld an die Kommunen, in Wahrheit aber finanzieren Sie Ihre Wohltaten mit fremdem Geld und greifen den Städten und Gemeinden obendrein noch in die Tasche“, sagte die Vize-Fraktionschefin der SPD. Offen sei auch, was in zwei Jahren passiere, wenn der Pakt auslaufe. Darauf hätten auch schon Oberbürgermeister und Bürgermeister hingewiesen. Die Integrationspolitik von Grün-Schwarz sei intransparent und unehrlich finanziert. „Sie führen nur fort, was die SPD-Minister in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben, sie reichen nur teilweise Bundesgelder weiter. Sie setzen keine eigenen neuen Akzente, Ihre angekündigte Avantgarde ist eine Nullnummer“, schimpfte Wölfle.

Jürgen Keck bezeichnete die Landesförderung als „Nasenwasser“. Der Integrationsprozess verlange nach Verlässlichkeit und Transparenz und müsse einheitlich und abgestimmt erfolgen. Asyl- und Aufenthaltsrecht müssten auf den Integrationsprozess abgestimmt sein. Er verlangte schnellere und verbindlichere Verfahren. Außerdem müsse endlich ein Zuwanderungsgesetz her, das die Interessen ausgleicht, denn Zuwanderung könne nicht über das Asylrecht gesteuert werden, forderte der integrationspolitische FDP-Sprecher. Er frage sich zudem, ob es wirklich erforderlich sei, dass das Land in zwei Jahren 116 Millionen Euro für 1000 zusätzliche Integrationsmanager ausgibt. Denn es würden bereits Integrationsbeauftragte mit Millionensummen gefördert, es gebe die „Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer“ oder die Jugendmigrationsdienste. Hinzu komme ein breit gefächertes ehrenamtliches Engagement.


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