STUTTGART. Die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU haben am Mittwoch mit ihrer Parlamentsmehrheit den Staatshaushaltsplan 2020/2021 beschlossen. Er sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 51,745 Mrd. Euro im kommenden Jahr und von 52,945 Milliarden Euro im Jahr 2021 vor. SPD, AfD und FDP stimmten dagegen.
Mit dem „gigantischen“ Haushalt setze die Landesregierung ihre solide, verlässliche und nachhaltige Politik fort, erhöhe Investitionen in Klima-, Umwelt- und Artenschutz und investiere in Bildung, Hochschulen und Innere Sicherheit, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann (CDU) in der dritten Lesung des Gesetzentwurfes, bei dem noch einige Änderungsanträge beraten wurden. Damit könne man „mit Zuversicht“ ins neue Jahrzehnt gehen.
Größte Etats sind der Einzelplan 12 Allgemeine Verwaltung (18,63 Milliarden Euro in 2020/19,24 Milliarden Euro in 2021), der Einzelplan 04 Kultus, Jugend und Sport (12,21 Milliarden/12,54 Milliarden), der Einzelplan 14 Wissenschaft, Forschung und Kunst (5,76 Milliarden/5,74 Milliarden), der Einzelplan 03 Inneres, Digitalisierung und Migration (4,13 Milliarden/4,18 Milliarden), der Einzelplan 13 Verkehr (2,30 Milliarden/2,29 Milliarden) und der Einzelplan 09 Soziales und Integration (2,04 Milliarden/2,07 Milliarden).
In den Jahren 2020 und 2021 sollen rund 3300 neue Stellen entstehen, darunter 1100 für Lehrer, aber auch für Polizisten, Polizeianwärter, 400 neue Stellen Justizbeamte, darunter 101 für Richter und Staatsanwälte sowie 25 für Justizwachtmeister. Das Land beschäftigt derzeit rund 270 000 Beamte und Angestellte. Die Personalausgaben einschließlich Pensionen machen einen Großteil des Haushalts aus: 19,4 Milliarden Euro im Jahr 2020, rund 20,2 Milliarden Euro im Jahr 2021.
Grün-Schwarz habe die Weichen für gutes Leben in Baden-Württemberg gestellt, konstatierte Sitzmann. Mit dem Doppelhaushalt werde auch vorgesorgt, falls es eine „konjunkturelle Delle“ geben sollte, begründete sie die Rücklagen zur Vorsorge in Höhe von 800 Millionen Euro. Außerdem laufe die Schuldenuhr im Südwesten „rückwärts“; die vom 1. Januar 2020 an geltende Schuldenbremse erfülle das Land bereits seit fünf Jahren. „Bisher war dies Kür, ab 2020 ist es Pflicht. Das ist gut so“, erklärte die Ministerin und wies auch auf die Tilgung von 1,4 Milliarden Euro Kreditmarktschulden und 1,5 Milliarden Kreditermächtigungen hin. Bei Landesbeteiligungen seien weitere 0,4 Milliarden Schulden abgebaut worden. In die Pensions-Rücklage habe das Land 120 Millionen Euro zusätzlich gelegt.
Sitzmann ging auch auf die Vermögensrechnung ein, die zum 31. Dezember 2018 eine Bilanzsumme von 250,41 Milliarden Euro aufweist (2017: 232,75 Milliarden Euro). Auf der Aktiv-Seite fließen landeseigene Immobilien, technische Anlagen und Maschinen (2018: 456,66 Millionen Euro; 2017: 451,27 Millionen Euro) sowie Landesbeteiligungen und Sondervermögen (2018: 21,27 Milliarden Euro; 2017: 18,24 Milliarden Euro) ein. Auf der Passiv-Seite der Bilanz stehen die Verpflichtungen des Landes, wie noch an Bund und Kommunen zu leistende Zahlungen aus der Steuerverteilung (2018: 4,40 Milliarden Euro; 2017: 3,96 Milliarden Euro) sowie Verpflichtungen für künftige Pensionen und Beihilfe in Form von Rückstellungen (2018: 190,75 Milliarden Euro; 2017: 176,56 Milliarden Euro).
Die Ministerin kündigte an, dass derzeit über den neuen Hochschulfinanzierungsvertrag verhandelt werde, der von 2021 an für fünf Jahre gelten und den Hochschulen 1,8 Milliarden Euro garantieren soll. Im seit 2015 und bis Ende 2020 laufenden Finanzierungsplan waren 1,1 Milliarden Euro vereinbart.
Das Land sei ein „verlässlicher Partner der Kommunen“ und habe den Kommunen zwischen 2017 und 2021 3,8 Milliarden Euro mehr zukommen lassen. Inzwischen würden von jedem Euro, den das Land erhält, 23 Cent an die Kommunen fließen. Am 10. Dezember hatten sich Land und Kommunen über die Zahlung von 340 Millionen Euro für geduldete Flüchtlinge und 126 Millionen Euro für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes geeinigt.
Die Sprecher von Grünen und CDU lobten den Doppelhaushalt. Im Mobilitätsland Baden-Württemberg sei die Transformation hin zu einem weitestgehend emissionsfreuen Fahren der wichtigste Schritt für den Klimaschutz, aber auch für den wirtschaftlichen Wohlstand, stellte Thekla Walter (Grüne) fest. Deshalb bedürfte es einer „ganzheitlichen Transformation der Mobilität“. Der Haushalt sei ein „Haushalt der Verantwortung“, weil weitsichtig mit den finanziellen Mitteln umgegangen werde.
Sie erwähnte die sehr gute Einnahmesituation, aber auch die gestiegenen Anforderungen, in vielen Bereichen noch höhere Standards umzusetzen und zu finanzieren. Herausforderungen seien frühkindliche Bildung, Schule, Integration, Jugendhilfe, aber auch Digitalisierung, Luftreinhaltung, Extremwetterlage und auf die Aufnahme von Geflüchteten. Es sei auch „gut und richtig“, in Kürze die Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung und der Landesverfassung zu verankern. Auch bei der Schuldentilgung sei das Land gut vorangekommen. Ebenso richtig und verantwortungsvoll sei es, eine hohe Rücklage für Haushaltsrisiken zu bilden. SPD und FDP wollten „null Euro zurücklegen“. Mit dem neuen Flächenfaktor in der Finanzausgleichsmasse hätten die Grünen einen Ausgleich für die bevölkerungsärmeren Kommunen gesucht, die aufgrund der Fläche hohe Mittel für ihre Infrastruktur benötigen.
Tobias Wald (CDU) zeigte sich „stolz“ über den Doppelhaushalt, der „wichtige Weichen“ stelle. Der Landtag habe mit seinem Königsrecht aktiv und rege Schwerpunkte gesetzt und solide, zukunftsgewandt und verantwortungsvoll gehandelt. Baden-Württemberg werde noch sicherer, vitaler, innovativer, Wirtschaft und Handwerk werde gefördert, Schwerpunkte seien Bildung, Klimaschutz und Wohnungsbau, wo 1,1 Milliarden Euro in die Wohnraum-Offensive fließen sollen. „Wir sagen dem Unterrichtsausfall den Kampf an“, sagte Wald im Hinblick auf die neuen Lehrerstellen. Auch die Landwirtschaft werde unterstützt. „Wir haben lieber Erdbeeren aus Mittelbaden als Avocados aus Mexiko“, betonte der CDU-Finanzexperte. Grün-Schwarz stocke die Mittel für die kommunalen Fonds auf, reiche die Mittel des Guten-Kita-Gesetzes „Eins zu Eins an die Kommunen weiter“, und biete den Bürgern mit dem Doppelhaushalt einen „Garant fürs Wohlergehen“.
SPD spricht von "byzantischen Verhältnissen"
Die Opposition sah das anders. Der Haushalt beinhalte „viel Geld und wenig Gestaltungswillen“. 15 Monate vor der Landtagswahl gehe es Grün-Schwarz um keine gemeinsame Richtung, sondern um die „jeweilige parteiegoistische Marschrichtung“, kritisierte Peter Hofelich (SPD). Er sprach von „byzantischen Verhältnissen“, dafür sei Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verantwortlich, der präsidiere, anstatt zu regieren. Hofelich kritisierte die „exekutierende“ Debattenkultur der Regierungsfraktionen, eine „passive“ Finanzministerin sowie „rechtlich und politisch fragwürdige Grenzüberschreitungen“ bei Fraktionsgeldern. „Wir haben eine Verwilderung der Sitten in der Ordnung unseres Haushalts“, urteilte der frühere Finanz-Staatssekretär. Kretschmann führe die Gemeinden „am grünen Gängelband“. Außerdem hätten die „Jahres des Überflusses“ Grün-Schwarz nicht nur zerstritten und nebeneinander her lebend, sondern auch träge gemacht.
Auch Rainer Podeswa (AfD) äußerte sich kritisch: „Ein Ausgabenhaushalt, der alle Rekorde bricht.“ Grün-Schwarz präsentierte einen Schuldenhaushalt mit einem Personalwildwuchs. Ausdrücklich begrüßte er neue Stellen für Lehrer, Polizei und Justiz, er vermisst jedoch „Stelleneinsparverpflichtungen“. Die AfD habe in den Beratungen gefordert, jährlich 500 Stellen in der Verwaltung zu streichen. Die Regierung widersetze sich jedoch „selbst mikroskopischen Verpflichtungen“ und mache dafür Rekordschulden und Rekordausgaben.
Diese „Verweigerung des Sparens“ sei „verantwortungslose Finanzpolitik“. Kretschmann mache Politik gegen die Bürger und die heimische Industrie, der Regierung gehe es um Dogmen. Die jüngste Initiative von CDU-Generalsekretär Manuel Hagel, Geld für Bienenprojekte in Gambia zur Verfügung zu stellen, bezeichnete Podeswa als „Parteienfilz in Reinheit“; hier werde Steuergeld veruntreut. Die AfD lehne den Haushalt der Verantwortungslosigkeit und der verpassten Chancen ab.
Haushalte ruiniere man in guten Zeiten, kritisierte Stephen Brauer (FDP). Der Etat sei nicht zukunftsfähig, sondern fahrlässig. Angesichts des angekündigten Stellenabbaus wäre aus Sicht des FDP-Abgeordneten „ein Gegensteuern notwendig“. Beispielsweise in Form der Senkung der Grunderwerbsteuer oder durch Maßnahmen im Baurecht, um das Bauen billiger zu machen. Bildung spiele eine zentrale Rolle, Brauer warf Grün-Schwarz vor, die duale Ausbildung zum „Auslaufmodell“ zu machen. Zudem hätten die Grünen den Diesel durch die einseitige Forcierung der E-Mobilität „angeschossen“. Aus Sicht der FDP wäre eine höhere Schuldentilgung und weniger Personalstellen nötig. In der Koalition bediene jeder Partner seine Klientel.
In der Diskussion um den Doppelhaushalt 2020/2021 vermisst der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg das Augenmerk auf den Interessen der Beschäftigten im Land. Der Vorsitzende Martin Kunzmann: „Beide Regierungsparteien legen ihren Fokus auf die Interessen der Wirtschaft und auf Umwelt- und Klimaschutz. Ökonomie und Ökologie sind wichtig, aber darüber darf das Soziale nicht vergessen werden. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie die Interessen der Beschäftigten oben auf die Agenda setzt. Dazu gehört, Arbeitsplätze zu erhalten und dafür zu sorgen, dass neue, tariflich bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Dafür brauchen wir entsprechende Beratungsangebote und Möglichkeiten zur Weiterbildung für die Beschäftigten, deren Arbeitsplätze keine Perspektiven mehr bieten. Dazu gehört ebenso, dass die Menschen ihre Arbeitsstellen gut und umweltfreundlich erreichen können – mit dem Fahrrad oder mit dem öffentlichen Nahverkehr. Dazu gehört selbstverständlich auch, ausreichend leistbaren Wohnraum zu schaffen.“
Der Baden-Württembergische Handwerkstag reagierte positiv auf den Doppelhaushalt. „Mit dem Landeshaushalt für die kommenden beiden Jahre wird das baden-württembergische Handwerk stärker als bisher gefördert. Das ist ein gutes Signal und zeigt, dass die Politik die Herausforderungen, vor denen das Handwerk steht, sieht und gleichzeitig seine Leistung anerkennt. Besonders freut uns die Einigung auf die Meisterprämie und Meistergründungsprämie, diese sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung“, sagt Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. Weiter gefördert wird die Zukunftsinitiative “Handwerk 2025” mit zahlreichen Unterstützungsangeboten für die Handwerksbetriebe in den Bereichen Personal, Strategie und Digitalisierung. Reichhold: „Mit `Handwerk 2025` können wir große Erfolge verzeichnen. Die Herausforderungen im Handwerk sind allerdings noch lange nicht vollständig gemeistert. Personalfragen, strategisches Denken und Digitalisierung werden uns auch in Zukunft weiter begleiten. Es ist deshalb schön, dass das Wirtschaftsministerium und die Abgeordneten des Landtags die Zukunftsinitiative weiter unterstützen.“