Stuttgart. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat den Gesetzentwurf zur regionalen Schulentwicklung in den Landtag eingebracht. Stoch nannte das Gesetz ein Musterbeispiel dafür, wie „Land und Kommunen gemeinsam die Zukunft unseres Landes gestalten“. Kritik und die Ankündigung, den Gesetzentwurf abzulehnen, kam von der Opposition. Grüne und SPD lobten die Vorlage dagegen als zukunftsfähiges Konzept, um den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Schullandschaft entgegenzutreten.
Stoch bezeichnete eine regionale Schulentwicklung als unerlässlich: „Die demografische Entwicklung geht an Kommunen nicht vorbei, es war zwingend etwas zu ändern.“ In den vergangenen Jahren seien in Baden-Württemberg bereits 400 Schulstandorte verloren gegangen. „Das darf nicht so weitergehen.“ Auch die Vorgängerregierung habe bereits gewusst, was auf die Schulen zukommen würde. „Aber wir lassen es nicht so weitergehen, wir warten nicht tatenlos darauf, was Zukunft bringen mag und lassen so das Schulsterben im Ländlichen Raum zu“, sagte Stoch, „wir wollen die Schulstandorte stärken und erhalten.“ Ein „weiter so“ in der Bildungspolitik hätte, so Stoch, zu einem „unkontrollierten Schulsterben“ im Ländlichen Raum geführt.
Stoch verwies darauf, dass seit seiner Regierungserklärung zur regionalen Schulentwicklung im Mai 2013 zahlreiche Gespräche mit allen beteiligten Gruppen stattgefunden hätten. „Wir haben in dem Gesetzentwurf eine Vielzahl von Anregungen berücksichtigt, vor allem der Kommunalen Landesverbände.“ Der jetzt vorliegende Entwurf schaffe Planungssicherheit für Schulträger, Eltern und Schüler. Das neue bildungspolitische Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium einerseits und der Gemeinschaftsschule als integrativer Schule für alle Schüler andererseits löse sich vom Denken mit Schularten und sichere die Erreichbarkeit guter schulischer Angebote vor allem im ländlichen Raum.
Zur Opposition sagte Stoch: „Es ist Irrglaube, dass wir mit den zurückgehenden Schülerzahlen ein dreigliedriges System erhalten könnten. Sie versprechen den Menschen etwas, das Sie nicht halten können.“ Der Prozess der regionalen Schulentwicklung sei zudem auf Konsens ausgerichtet. „In vielen Fällen konnte dieser Konsens bereits erzielt werden“, so Stoch.
Georg Wacker (CDU) machte dagegen die grün-rote Bildungspolitik für die „gravierenden Veränderungen in der Schullandschaft“ verantwortlich. „Der Kultusminister leistet durch seine Politik einen maßgeblichen Beitrag zum Schulsterben in Baden-Württemberg“, sagte Wacker. Die Kommunen hätte durch die regionale Schulentwicklung lediglich zwei Möglichkeiten: „Entweder sie können selbst den Schwarzen Peter nehmen und Schulen schließen – oder sie können nur den rettenden Anker der Gemeinschaftsschule ergreifen“, so Wacker. „Das hat mit Gestaltungsfreiheit nichts zu tun.“
Wacker verwies darauf, dass keinesfalls alle Beteiligten mit dem Entwurf zufrieden seien. „Der Landeselternbeirat lehnt den Entwurf ab, die kommunalen Landesverbände kritisieren zu wenig Flexibilität.“ Der Gesetzentwurf sei, so Wacker, ein „Privilegierungskonzept“ für die Gemeinschaftsschulen. „Das müssen wir ablehnen, weil es den Bedürfnissen der Schullandschaft nicht gerecht wird“, kündigte Wacker für seine Fraktion an.
Dagegen warf Sandra Boser (Grüne) Wacker vor, mit seinen Äußerungen die Menschen zu täuschen, statt selbst ein Konzept vorzulegen. „Sagen Sie doch einmal, wie man künftig mit Schulen mit fünf bis zehn Schülern umgehen soll“, forderte sie. „Wir brauchen die regionale Schulentwicklung, um tragfähige Konzepte zu entwickeln.“ Viele Kommunen, so Boser, seien an den Gemeinschaftsschulen interessiert. „Nur so können sie langfristig ihre Schulstandorte mit allen Abschlüssen aufrechterhalten.“
Stefan Fulst-Blei (SPD) nahm die Kritik an der Opposition auf und nannte den Tag einen „Tag der Freude“ für alle, die sich für verantwortungsvolle Bildungspolitik engagieren. „Denn damit wird ein 41-jähriger Stillstand überwunden.“ Fulst-Blei verwies darauf, dass die letzte regionale Schulentwicklung in Baden-Württemberg 1973 stattgefunden habe. „Die frühere Landesregierung hat es zugelassen, dass viele Schulstandorte bereits unbegleitet in die Knie gegangen sind. Wir arbeiten damit eine weitere Erblast von Ihnen ab“, sagte er in Richtung CDU und FDP. „Wir setzen bei auf Dialogpolitik mit Kommunen und Standorten, nicht auf Gutsherrenmanier.“ Grün-rote Bildungspolitik nehme damit weiter Gestalt an, so Fulst-Blei: „Es gibt mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Elternwille und jetzt auch mehr Planungssicherheit für die Kommunen.“
Timm Kern (FDP) nannte schließlich den Gesetzentwurf das „zweite Schulschließungsbeschleunigungsgesetz“ von Grün-Rot - das erste sei die Abschaffung der Grundschulempfehlung war gewesen. Kern kritisierte, dass bereits 209 Gemeinschaftsschulen eingerichtet worden seien, bevor das Gesetz verabschiedet werde und damit bereits vollendete Tatsachen geschaffen worden seien.
„Diese regionale Schulentwicklung hätte Ihr Meisterstück werden können, wenn Sie diese Entwicklung zuerst auf den Weg gebracht hätten, den Schulen Budgets gegeben und die ganze Entscheidung vor Ort belassen hätten“, sagte Kern an die Adresse von Kultusminister Stoch. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf sei aber lediglich ein „halbherziger Tätigkeitsnachweis ohne Mehrwert“, der zusätzliche Unruhe in ein Schulsystem bringe, das von Grün-Rot ohnehin schon beschädigt sei.