Stuttgart. Zu scharfer Kritik am ehemaligen Kultusminister Andreas Stoch (SPD) haben Nachfolgerin Susanne Eisenmann (CDU) sowie die Redner von CDU, AfD und FDP eine Landtagsdebatte zum Unterrichtsausfall genutzt. Grundlage war eine Antwort Eisenmanns auf eine Anfrage der SPD, die diese Debatte beantragt hatte. Danach fehlten schon zum Schuljahresbeginn im September 625 Lehrerstellen. Betroffen sind vor allem Grundschulen, die Sonderpädagogik, Realschulen und insbesondere der musisch-technische Bereich. Außerdem kritisierte Gerhard Kleinböck (SPD), dass die grün-schwarze Landesregierung in diesem Jahr rund tausend Stellen abgebaut habe.
„Ich bewundere Ihren Mut“, rief die Kultusministerin unter dem Beifall der CDU-Fraktion. Sie verwundere sehr, dass ausgerechnet die SPD-Fraktion mit ihrer Mitverantwortung für die aktuelle Situation die Debatte beantragt habe. Und sie zitierte Stoch mit einer Landtagsrede vom Dezember 2013. Der damalige Kultusminister und heutige SPD-Fraktionschef hatte damals gesagt, dass er keine detaillierten Auskünfte zum Unterrichtsausfall geben könne, weil eine statistische Erhebung nach Landkreisen oder sogar Schulen einen zu großen sachlichen und personellen Aufwand mit sich bringen würde.
Auch Eisenmann hat noch keinen Überblick, nimmt aber für sich in Anspruch, schulscharfe Erhebungen auf den Weg gebracht zu haben. „Warum haben Sie das nicht geändert?“, wollte sie von Stoch wissen. Stattdessen beklage die SPD, „dass es ist, wie es ist“. Dabei wüssten doch alle, dass die aktuellen Engpässe bei den Grundschulen und in der Sonderpädagogik durch den „schlicht leergefegten Lehrermarkt“ verursacht würden. Außerdem sei ganz offensichtlich schon vor Jahren versäumt worden, vorausschauend zu planen und die Ausbildungskapazitäten für den pädagogischen Nachwuchs zu erhöhen. Jetzt stehe die Unterrichtsversorgung „auf der Prioritätenliste der Landesregierung ganz oben“.
Auch Karl-Wilhelm Röhm (CDU) nutzte die Gelegenheit zur Kritik an Stoch und vor allem am früheren SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, der die Lehrer im Landtag als „Heulsusen" bezeichnet hatte. Das habe nicht zur Motivation beigetragen. Zugleich erklärte er den Unterrichtsausfall auch mit den vielen Zusatzangeboten. „Wir allen wollen ein lebendiges Schulleben“, so der frühere Rektor. Wenn auf der einen Seite etwas wegfalle, müsse immer auch geschaut werden, was auf einer anderen hinzukomme. Röhm plädierte für schulinterne Lösungen, etwa dadurch, dass Lehrkräfte freiwillig Vertretungsstunden übernehmen oder ihr Deputat erhöhen.
Für Timm Kern, den bildungspolitischen Sprecher der FDP und früheren Gymnasiallehrer, waren fünf Jahre grün-rote Landesregierung „fünf Jahre gegen die Lehrkräfte". Keine Landesregierung in der Geschichte dieses Landes habe „den Lehrern so misstraut wie die grün-rote“. Kern anerkannte, dass die Kultusministerin gerade deshalb bemüht sei, „manches zerschlagene Porzellan wieder zu kitten“. Zugleich warf er Eisenmann allerdings Mutlosigkeit vor, weil die beschlossenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichten. Unerlässlich sei es unter anderem, die Sommerferien-Arbeitslosigkeit anzugehen oder den Beförderungsstau bei den Fachlehrern abzubauen. Außerdem müssten Schulleiter wie Lehrer von bürokratischen Aufgaben entlastet werden. Zudem müssten Schulen Mittel für eigene Personalentwicklung erhalten, weil sie dann „Bewerbern entsprechend attraktive Angebote machen“ könnten.
Rainer Balzer (AfD) befasste sich grundsätzlich mit der SPD, einer Partei einst für die Bürger und die Arbeiterklasse, die sich seit Jahren „eher zu einer hippen Partei der intellektuellen Vordenker, der abgehobenen Hipster und Städter“ entwickelt habe. Wenn er sich recht entsinne, „war das vergangene Jahr im chinesischen Kalender das Jahr der Katze“. Hierzulande sei es das Jahr der beruflichen Bildung, die Kultusministerin sei Vorsitzende der Kultusministerkonferenz gewesen: „Und was für ein Jahr hatten wir hier für die berufliche Bildung? Es war vermutlich auch ein Jahr für die Katz.“ Balzer empfahl, einen Teil der Haushaltsreste von vier Milliarden Euro für Schulen und Kommunen zur Verfügung zu stellen. Auch der nicht mehr der AfD-Fraktion angehörende Göppinger Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner kritisierte die SPD und Ex-Kultusminister Andreas Stoch scharf.
Sandra Boser, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, forderte sowohl SPD als auch den eigenen Koalitionspartner CDU auf, sich der Verantwortung zu stellen. „Wir haben in der letzten Legislaturperiode versäumt, Prognosen anzupassen“, sagte sie an die Adresse der Sozialdemokraten. Kleinböck entgegnete, die SPD wolle sich nicht drücken. Aus der Antwort auf die Anfrage seiner Fraktion gehe aber eindeutig hervor, dass die heutige Landesregierung Spielräume zur Minderung des Unterrichtsausfalls nicht genutzt habe. Die SPD wolle vermeiden, „dass wir in einem Jahr wieder hier stehen und sagen: Hätten wir doch!“