Stuttgart. Der Landesrechnungshof hat den Verzicht der grün-schwarzen Landesregierung auf Schuldentilgung im Landeshaushalt 2017 begrüßt. Nach der Landeshaushaltsordnung hätte das Land in diesem Jahr in die Schuldentilgung einsteigen müssen, sagte Präsident Max Munding am Mittwoch in der Debatte über die Denkschrift 2016 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes sowie über die Prüfung der Haushaltsrechnung 2014 im Landtag. Wie dem Finanzministerium habe sich jedoch auch dem Rechnungshof die Frage gestellt: Tilgen wir oder schieben wir die Tilgung der Kreditmarktschulen hinaus und wenden uns der impliziten Verschuldung zu?
„Die einfachere Antwort wäre Tilgen gewesen“, gab Munding in seinem letzten Auftritt im Parlament zu. Aber aus seiner Sicht nicht die richtige. Denn durch das niedrige Zinsniveau trage Tilgung nicht zur Entlastung des Haushalts bei; zusätzliche und überfällige Sanierungen anzugehen schaffe dagegen Freiraum und entlaste in der Zukunft, erklärte der Präsident. Auch die Vorsorge für künftige Verbindlichkeiten sei nachhaltig und trage zur dauerhaften Haushaltskonsolidierung bei. Deshalb habe der Rechnungshof „nicht reflexartig Schuldentilgung gefordert“, zumal die andere Lösung im Moment die wirtschaftlichere sei.
Gleichzeitig forderte Munding die zeitnahe Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung. „Das ist das Signal, das der Landtag möglichst geschlossen aussenden sollte“, sagte er. Die Schuldenbremse sei die zentrale haushaltspolitische Festlegung, weshalb sie in die Landesverfassung und nicht in die Landeshaushaltsordnung gehöre. „Nur durch die Verankerung in der Landesverfassung eröffnen Sie einen unmittelbaren Klageweg zum Verfassungsgerichtshof des Landes“, wies er dem Parlament den Weg zur Garantie für die Einhaltung der Schuldenbremse.
Anstehen würde auch die Vermögensbilanz des Landes; diese wolle das Finanzministerium erstmals im Januar 2018 aufstellen. Dann könnten Vermögen und Verpflichtungen des Landes genauer abgelesen und die tatsächliche implizite Verschuldung festgestellt werden. Wie es um das Land bestellt sei, zeige aber schon heute der hohe Schuldenstand von 47,8 Milliarden Euro. „Er zeigt, dass wir bislang in vielen Jahren über unsere Verhältnisse gelebt haben“, betonte Munding. Entscheidend werde sein, aus der sinnvollen Vermögensbilanz die richtigen Schlüsse für die Haushaltsgestaltung zu ziehen.
Kritisch sah der Rechnungshof-Präsident die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern. Diese bringe zwar eine Entlastung für den Haushalt, das Gesamtpaket enthalte aber auch „gravierende Verschiebungen zulasten der Länder“. Diese seien mehr als nur ein Schönheitsfehler, monierte Munding den aus seiner Sicht Rückfall „hinter die Ergebnisse der Föderalismuskommission“.
Munding mahnte auch zur Erfüllung von „Hausaufgaben“. Der Ruf nach mehr Personal als „prima actio statt ultima ratio“ sei auf jeden Fall zu kurz gesprungen. Zuvor müssten Strukturen und Abläufe, Verfahren und Vorgaben, aber auch Schwerpunkt neu justiert werden. Auch das Thema Verwaltungsvereinfachung und Aufgabenkritik gehöre „endlich mal wieder“ auf den Tisch. Die IT sei ein zentrales Thema für die Verwaltung. Auch die Vereinfachung des Steuerrechts gehöre auf die Agenda.
Aus allen Fraktionen ernteten Rechnungshof und Munding, der seit acht Jahren an der Spitze steht, Dank und Lob. In der 224 Seiten starken Denkschrift 2016 mit 27 Einzelbeiträgen zu zehn Ministerien sei quasi die gesamte Regierung kritisch beobachtet worden, sagte Markus Rösler (Grüne). Der Finanzausschuss sei vielfach den Empfehlungen gefolgt. Er lobte die Arbeit in diesem Gremium, das die Mehrzahl der Beschlüsse einstimmig gefasst habe. Die finanzielle Situation des Landes sei stabil, konstatierte Rösler; von 2015 bis 2017 sei „die Nettonull geschafft“ worden und soll auch 2018 und 2019 und danach dauerhaft erreicht werden. Im Land habe es von 2011 bis 2017 Mehrausgaben von 12 Milliarden Euro gegeben – „überwiegend Pflichtausgaben wie kommunaler Finanzausgleich, Personalausgabensteigerungen, Flüchtlingsbereich oder Länderfinanzausgleich. Mit Sorge sieht Rösler die Versorgungsaufwendungen, die bis 2030 nochmals 2,3 Milliarden Euro Mehrausgaben erfordern. Mit einer Steuerdeckungsquote von 76,7 Prozent (2010 noch knapp 70 Prozent) sei das Land jedoch auf dem richtigen Weg.
Die Koalition habe vereinbart, 2018 die Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen, erklärte Joachim Kößler (CDU). Es brauche aber auch Ausführungsgesetz dazu, das Ausnahmeregeln für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen beinhaltet. Der Schuldensaldo müsse aber auch bei Konjunkturkomponenten symmetrisch sein. „Es kann nicht sein, dass wir weiterhin einen Schuldenberg aufbauen, ohne bereit zu sein, ihn auch wieder abzubauen.“
Die AfD sei die einzige Partei im Landtag, die noch keinen Schulden zugestimmt habe, sagte Rainer Podeswa (AfD). Auch er plädierte für die Schuldenbremse in der Landesverfassung, „um die Hürden für weitere Schulden zumindest sehr hoch zu hängen“. Podeswa verwies auf steigende Ausgaben des Landes von 42,7 Milliarden (2014) auf 48 Milliarden Euro (2017) und steigende Ausgabenreste von inzwischen 8,1 Prozent des Etats. Er forderte, die „überbordenden Steuereinnahmen“ des Landes „endlich wieder“ auf ein erforderliches Maß zu reduzieren.
Der Finanzausschuss müsse in den kommenden Jahren noch stärker zur „Stätte des Diskurses“ werden, sagte Peter Hofelich (SPD). Grün-Schwarz warf der frühere Wirtschafts-Staatssekretär vor, „nur zu verwalten und nicht zu gestalten“. Zur Kostenexplosion hätten kontinuierlich wachsende Personalausgaben sowie steigende Baukosten beigetragen. Andreas Glück (FDP) kritisierte, durch die Änderung der Landeshaushaltsordnung (LHO) sei dem Missbrauch „Tür und Tor geöffnet“. Schulden, die heute nicht zurückgezahlt werden, würden bei steigenden Zinsen das Land erdrücken. „Wir könnten heute bereits Schulden zurückzahlen“, urteilte der Liberale.
Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) will mit dem Rechnungshof den „Weg des konstruktiven Miteinanders“ weiterführen. Auch die Regierung wolle die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankern und den Weg der Konsolidierung fortsetzen. Im Etat 2017 seien 800 Millionen Euro strukturell eingespart und die strukturellen Mehrausgaben auf 150 Millionen Euro begrenzt worden. Die Änderung von Paragraf 18 der LHO habe den Abbau impliziter Schulden ermöglicht. Grün-Schwarz konzentriere sich auf das Wesentliche, die anderen Fraktionen hätten keine gegenfinanzierten Anträge gestellt.