Entlassungantrag gegen Justizminister Stickelberger gescheitert

26.11.2014 
Redaktion
 
Justizminister Rainer Stickelberger. Foto: Justizministerium

Justizminister Rainer Stickelberger. Foto: Justizministerium

Stuttgart. Zum vierten Mal in dieser Legislaturperiode ist die Opposition Landtag mit einem Entlassungsantrag gegen einen Minister der grün-roten Landesregierung gescheitert. Mit den Stimmen der Fraktionen von Grünen und SPD lehnte das Parlament die von der CDU geforderte Entlassung von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) ab. Die Abgeordneten der FDP enthielten sich der Stimme. Für die Amtsenthebung Stickelbergers wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig gewesen.

Der Minister habe bei der Aufsicht über die Justizvollzugsanstalt Bruchsal durch Organisationsfehler und daraus resultierende fehlende interne Kontrollmechanismen versagt, hatte die größte Oppositionsfraktion ihren Antrag begründet. In der laufenden Legislaturperiode waren bereits Entlassungsanträge gegen Integrationsministerin Bilkay Öney, Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid und Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (alle SPD) gescheitert.

In der Debatte warf CDU-Fraktionschef Peter Hauk dem Justizminister vor, „ohne Wenn und Aber“ die Verantwortung für den Hungertod des Häftlings am 9. August im Gefängnis Bruchsal zu tragen.  Der Minister habe erst am Ende einer langen Untersuchung eingeräumt, versagt zu haben. Rückhaltlose Aufklärung sehe anders aus, sagte Hauk und warf dem Minister „feiges Verhalten“ gegen die JVA Bruchsal vor. Die vorzeitige Pensionierung eines Abteilungsleiters sei ein Opfer. Der CDU gehe es nicht um die Frage der Schuld, sondern der Verantwortung: Ausschließlich der Minister sei dem Landtag gegenüber verantwortlich. „Treten Sie zurück, es ist überfällig“, forderte Hauk.

FDP schließt sich dem Entlassungsantrag nicht an

Die FDP-Fraktion schloss sich dem Entlassungsantrag nicht an. Ulrich Goll, der frühere Justizminister, begründete dies damit, dass „wesentliche Fragen nicht abschließend geklärt“ seien, wie: Hätte man dem Gefangenen helfen müssen? Hat man ihn achtlos verhungern lassen? Der CDU-Antrag auf Entlassung sei naheliegend, aber nicht spruchreif, solange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. Für die Liberalen stellt sich erst dann die Frage der politischen Verantwortlichkeit, wenn festgestellt werden sollte, dass ein Gefangener durch Unterlassung zum Tode gekommen ist. Allerdings sieht auch Goll eine „Menge von Fehlern“, nicht nur unten, sondern auch oben.

Justizminister Rainer Stickelberger gab zu, dass ihn der Tod des Häftlings „so bewegt hat“ wie kein anderer Vorgang in seiner Amtszeit. „Ich habe gehandelt“, verteidigte er sich und verwies auf die Suspendierung des Anstaltsleiters von Bruchsal und Disziplinverfahren gegen zwei Bedienstete. Er räumte auch ein Kontrolldefizit ein. Der schreckliche Fall habe ihm gezeigt, dass die Mechanismen nicht ausreichen, weshalb er die Kontrollmaßnahmen geändert habe. Er wies auf die zunehmende Zahl psychisch Kranker im Strafvollzug hin: Von den 17 000 Gefangenen seien 2600 psychisch auffällig. Durch die geänderte Berichtspflicht zur Einzelhaft habe er eine größere Kontrolldichte geschaffen. Die „Selbstverteidigungsrede“ des betroffenen Ministers bezeichnete als Hauk als „Novum“ in der Landesgeschichte.

Kretschmann stärkt Stickelberger den Rücken

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stärkte Stickelberger den Rücken. Der „äußerst bedauerliche Fall“ mache deutlich, dass jedes Kontrollsystem verbesserungsfähig sei.  „Der Rechtsstaat hört nicht an den Mauern und Zellen auf“, erklärte der Regierungschef. Nach seiner Meinung hat der Justizminister „gehandelt, Konsequenzen gezogen und Maßnahmen getroffen“. Deshalb genieße Stickelberger sein „volles Vertrauen“, beteuerte Kretschmann.

Auch die Fraktionsführer Edith Sitzmann (Grüne) und Claus Schmiedel (SPD) lehnten die Entlassung des Ministers ab. Der Antrag sei nicht angemessen, sagte Sitzmann. Schließlich habe der Minister bereits Maßnahmen eingeleitet, damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen kann. Schmiedel betonte, der Minister habe sich nicht weggeduckt, sondern gehandelt. Deshalb seien die Vorwürfe der CDU konstruiert. „Der Justizminister hat unser Vertrauen“, erklärte Schmiedel, der mit seinem Verweis auf 92 Suizide in den baden-württembergischen Gefängnissen zu Zeiten der CDU/FDP-Regierung auf Proteste stieß. „Schäbig“ fand FDP-Fraktionschef Hans Ulrich Rülke, dass Schmiedel damit die Suizide mit dem Hungertod eines Häftlings gleichsetzen wolle.


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