Stuttgart. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) legte am Donnerstag im Landtag dar, wie das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz an die Vorgaben angepasst wird, die das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom Juli 2018 gemacht hat. Zum einen gilt nun ein genereller Richtervorbehalt für alle Fixierungen von Patienten, die länger als 30 Minuten dauern.
Damit gehe man sogar über die Vorgaben des Gerichts hinaus, die dies nur für 5- und 7-Fixierungen verlange, bei denen eine ärztliche Anordnung allein nicht ausreiche. Ferner würden künftig alle Patienten darauf hingewiesen, dass sie Fixierung nachträglich gerichtlich überprüfen lassen können. „Baden-Württemberg ist bisher Vorreiter bei Umsetzung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes“, sagte Lucha.
Thomas Poreski (Grüne) sagte, seine Fraktion begrüße beides - das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den Gesetzentwurf, mit dem es nun umgesetzt werde. Es gehe beim Richtervorbehalt auch darum, dem Personal in den psychiatrischen Einrichtungen „die notwendige Rückendeckung zu geben“. Dieser sei auch im Sinn eines Checks- and-Balances-Systems zu begrüßen, da er der Verführung vorbeugen könne, Fixierungen früher als nötig vorzunehmen. „Das ist den etwas höheren personellen Aufwand allemal wert“, so Poreski.
Christine Neumann-Martin (CDU) wies darauf hin, mit den „Ergänzungen und Korrekturen dieses Gesetz“ würden nicht nur die Rechte der Patienten gestärkt, sondern auch mehr Rechtssicherheit für die Mitarbeiter geschaffen. Angesichts des deutlichen Mehrbedarfs der Amtsgerichte seien die vorgesehenen 20 neuen Stellen dort „richtig und auch notwendig“; doch solle daneben auch für die Weiterbildung und Sensibilisierung der Richter für das Thema Fixierungen Sorge getragen werden.
Die Redner von SPD und FDP stellten die Zustimmung ihrer Fraktionen zum Gesetzentwurf in Aussicht. Beide bemängelten aber, dass der Entwurf so spät auf das Gerichtsurteil reagiere, dass dessen Vorgaben gerade noch fristgerecht umgesetzt werden könnten. Zudem seien die finanziellen Folgewirkungen unzureichend benannt worden.
Zwar seien 800 000 Euro an Kosten für die psychiatrischen Einrichtungen im Gesetz angeführt wurden, doch nicht die laut Justizminister Guido Wolf (CDU) erforderlichen zusätzlichen 20 Richterstellen, sagte Rainer Hinderer (SPD). „So geht man mit dem Haushalts-Gesetzgeber nicht um“, kritisierte er. Dieser müsse umfassend über notwendige Mehrkosten informiert werden.
Jochen Haußmann (FDP) lobte mit Blick schon auf die vergangene Legislaturperiode, es gebe nicht viele Länder, die sich so intensiv Gedanken zu diesem Thema gemacht hätten wie Baden-Württemberg. Er wies darauf hin, dass ausreichend Personal in den Pyschiatrieen die beste Maßnahme sei; „Je mehr Personal, desto weniger Fixierungen sind notwendig“.
Fixierungen von Patienten bedeuteten, so Rüdiger Klos (AfD), eine „hohe Eingriffssintensität“; sie seien gewissermaßen eine „Haft in der Haft“. Er kritisierte die anderen Fraktionen für das unzureichende Gesetz von 2015, dass das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts nötig gemacht habe: „Machen sie erstmal Gesetze, die einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten“, forderte Klos.