Stuttgart. Die Landesregierung macht im Kampf gegen die zunehmende Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet ernst. Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) kündigte am Donnerstag im Stuttgarter Landtag an, die Suche nach digitalen Spuren werde verstärkt. Dazu zählen Fortbildungen von Polizisten, Richtern und Staatsanwälten ebenso wie die bessere technische Ausstattung der Behörden oder eine stärkere internationale Zusammenarbeit.
«Straftäter dürfen uns nicht immer einen Schritt voraus sein», begründete Stickelberger die Maßnahmen. Zudem sei zu Beginn dieses Jahres die Abteilung «Cyberkriminalität/Digitale Spuren» beim Landeskriminalamt eingerichtet worden. Ziel sei die Bündelung und Stärkung der bisher auf unterschiedliche Bereiche des LKA verteilten Kompetenzen. Justiz, Polizei und Wirtschaft erhielten in Fragen der Cyberkriminalität einen zentralen Ansprechpartner.
Nach Angaben Stickelbergers werden 2012 noch mehrere Fortbildungen für Sachbearbeiter von Umweltkriminalität angeboten. Außerdem werde die Software zur Sicherung und Auswertung der Inhalte elektronischer Datenträger flächendeckend verbessert. Seit dem 1. Juli 2011 besteht bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart die Zentralstelle für die Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität. Als landesweit zuständiges Kompetenzzentrum soll die Einrichtung zur Verbesserung der Strafverfolgung bei den Staatsanwaltschaften dienen. Durch die bis 2016 geplanten neuen 500 Beamten- und 500 Anwärterstellen zur Verstärkung der Steuerverwaltung soll die Mitwirkung der Steuerverwaltung bei der Verfolgung der Wirtschaftskriminalität verbessert werden.
«Das Internet lässt die Wirtschaftskriminalität explodieren», beschrieb Nikolaos Sakellariou (SPD) den Sachstand. Der Schaden daraus summiere sich auf mehr als 400 Millionen Euro jährlich. Außerdem bestehe ein «großes Dunkelfeld». Laut einer Studie werde von geschädigten Unternehmen nur in jedem dritten aufgedeckten Fall Strafanzeige erstattet. «Viele Taten werden der Polizei nicht bekannt», sagte der SPD-Abgeordnete. Deshalb müsse das Internet wieder «zu dem Raum gemacht werden, in dem die Täter Angst haben müssen und nicht die Nutzer».
Karl Zimmermann (CDU) lobte die gute Arbeit der Polizei. «Die Ermittlungen versprechen Erfolge, denn zum Glück bleiben ja immer Spuren im Internet», sagte der Polizeiexperte. Dennoch bräuchten die Ermittler Hochleistungsrechner und weitere Internet-Fahnder. Helfen könne auch die Vorratsdaten-Speicherung. Nach Ansicht von Zimmermann hat die Zahl der ausländischen Täter bei der Internet-Kriminalität zugenommen. Dem widersprach Petra Häffner (Grüne); 2010 seien knapp 80 Prozent der Tatverdächtigen Deutsche gewesen. Häffner sprach sich für eine weiter Bündelung von Expertenwissen aus, was mit der geplanten Polizeireform erreicht werden könne. «Wir brauchen aber vor allem erhöhte Wachsamkeit und eine bundesweite Koordination der Maßnahmen.»
Ulrich Goll (FDP) lobte die neue Landesregierung dafür, dass sie die von Schwarz-Gelb eingeführte Task Force weiter führt. Unter die Wirtschaftskriminalität fällt nach Aussage des Ex-Justizministers vielfach auch der einfache Betrug. Tatsächlich sind die häufigsten zwischen 2006 und 2010 registrierten Delikte mit dem Tatmittel Internet die Vermögens- und Fälschungsdelikte, allen voran der Betrug.