Stuttgart. Die 184 000 Beamten und 127 000 Versorgungsempfänger des Landes Baden-Württemberg erhalten früher als geplant mehr Geld. Der Landtag billigte in zweiter Lesung bei einer Gegenstimme das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2017/2018. Demnach erfolgt die Erhöhung der Bezüge um 2 Prozent bereits einheitlich zum 1. März 2017 und um 2,35 Prozent zum 1. Juli 2018. Zusätzlich zur Tarifsteigerung gibt es 2018 einen strukturellen Baden-Württemberg-Bonus von 0,325 Prozent. Außerdem wird der Familienzuschlag einheitlich zum 1. März 2018 erhöht.
Ursprünglich hatte die Landesregierung nach einer Vereinbarung mit dem Beamtenbund und dem Verein der Richter und Staatsanwälte die zeitlich gestaffelte Umsetzung der Tariferhöhung je nach Besoldungsgruppe vorgesehen. Nach der Einbringung am 20. Juni und der ersten Beratung des Gesetzentwurfes am 12. Juli im Plenum war jedoch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinzu gekommen; dieses hatte eine ähnliche Regelung des Freistaats Sachsen, entgegen seiner langjährigen Rechtsauffassung, als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Im Finanzausschuss wurde der Gesetzentwurf daraufhin geändert.
Der Landtag hob gleichzeitig die Senkung der Eingangsbesoldung auf. Zum 1. Januar 2018 bekommen neu eingestellte Beamte damit die vollen Bezüge. 2005 hatte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung aus Spargründen die Eingangsbesoldung gesenkt. Das Land kostet das gesamte Gesetz-Paket in diesem und im nächsten Jahr fast 900 Millionen Euro.
Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) beschrieb den Inhalt des Gesetzes kurz: „Deutlich mehr Geld für unsere Beamtinnen und Beamten. Das ist eine richtig gute Nachricht.“ Die Erhöhung der Bezüge sei auch ein klares Signal an Nachwuchskräfte: „Wir brauchen euch, und wir wollen euch im öffentlichen Dienst.“ Niemand werde schlechter, aber viele würden besser gestellt.
Auch Thekla Walker (Grüne) konstatierte, Baden-Württemberg gehe „mit guten Karten“ und attraktiven Besoldungsmodellen in den Wettstreit um qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigte sie nur bedingt Verständnis, denn dieser Beschluss sei eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Die „vorübergehende Ungleichbehandlung verschiedener Besoldungsgruppen“ sei bisher nicht beanstandet, sondern ausdrücklich bejaht worden. Das Gesetz führe zu einer ausdrücklichen Stärkung der Beamtenschaft im Land, sagte Walker.
Tobias Wald (CDU) bescheinigte dem Verfassungsgericht ebenfalls eine „absolute Kehrtwende“, die er nicht nachvollziehen könne. Er respektiere aber selbstverständlich das Urteil. Die CDU-Fraktion wertschätze die Arbeit der Beamten und Angestellten des Landes. Eine leistungsgerechte Bezahlung sei ein wichtiger Teilaspekt dieser Wertschätzung. Wald sprach sich für weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung aus.
Die Landesregierung habe einen „ausgewogenen Entwurf“ des Gesetzes erarbeitet, die Erhöhungen seien „ausdrücklich angemessen“, stellte Rainer Podeswa (AfD) fest. Die Kehrseite der Medaille seien Mehrkosten in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro jährlich – „eine Belastung“. Er wies darauf hin, dass jede zusätzliche Beamtenstelle Zahlungsverpflichtungen des Landes und der Steuerzahler für 40 Jahre und mehr begründe. Trotzdem habe das Land die Beamtenschaft von 100 000 im Jahr 1970 auf 193 800 (2013) fast verdoppelt. Angesichts der Digitalisierung müssten die Beamtenzahlen „eigentlich sinken und nicht steigen“, sagte Podeswa. Der Beamtenapparat müsse schlank und effizient sein.
Rainer Stickelberger (SPD) dämpfte die Euphorie. Der öffentliche Dienst sei nicht mehr attraktiv genug, es gebe zu wenig und zu wenig qualifizierte Bewerber, sagte der frühere Justizminister. Die Verwaltungen, aber auch die Polizei und die Justiz würden dies immer mehr spüren. „Wir werden wahrscheinlich das Beamtenrecht völlig neu denken müssen“, orakelte der SPD-Politiker. Vielleicht müssten dazu auch „manche engen Grenzen“ des Beamtenrechts aufgebrochen werden.
Die FDP habe sich schon in der Vergangenheit grundsätzlich für eine zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses eingesetzt, erklärte Gerhard Aden (FDP). Die jetzt gefundene Regelung sei sachgerecht und stelle alle Betroffenen besser.