Stuttgart. Für einen heftigen Schlagabtausch zwischen Regierungsfraktionen und Opposition im Landtag sorgte erneut das Besetzungsverfahren für die neuen Polizeipräsidenten. Während FDP und CDU den Vorwurf der Rechtswidrigkeit bei der Ausschreibung in den Raum stellten und die Polizei des Landes und ihre Funktionsfähigkeit durch das gesamte Verfahren beschädigt sehen, bezichtigten SPD und Grüne die Opposition übler Unterstellungen und erhoben ihrerseits den Vorwurf, die Opposition ziehe den Polizeiapparat und die Beamten mit der Debatte in den Schmutz.
Innenminister Reinhold Gall (SPD) beantwortete unterdessen die Frage, ob die neue Ausschreibung auf eigene Wunschkandidaten zugeschnitten sei, mit einem klaren Nein. Im Gegenteil sei damit einem weit größeren Kandidatenkreis als zuvor eine Bewerbung möglich gemacht worden. Gall verwies zudem darauf, dass überhaupt zum ersten Mal eine solche Ausschreibung erfolgt sei; dies habe es zu Regierungszeiten der heutigen Opposition kein einziges Mal gegeben.
Mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisierte der ehemalige Justizminister Ulrich Goll (FDP) die Amtsführung und das Agieren von Gall in dieser Sache. „Hinter den Kulissen lief ein abgekartetes Verfahren, damit bei der zweiten Runde nichts anderes rauskommt als bei der ersten“, so der Vorwurf von Goll, der aus einer Mail des Inspekteurs der Polizei zitierte, in der Empfehlungen für die Ausschreibungen gegeben werden, die nahelegen, ein bestimmter Bewerber solle berücksichtigt werden. Mit Hartnäckigkeit, so Goll, sei versucht worden, das Urteil des Karlsruher Verwaltungsgerichts zu unterlaufen, statt die Ausschreibungen mit allen Mitteln wasserdicht zu machen. „Das eigentlich Schlimme an diesem Vorgang ist, dass Sie auf mittlere und lange Sicht die Funktionsfähigkeit der Polizei gefährden“, sagte Goll zu Innenminister Gall. „Jetzt haben wir ein Verfahren im Raum, das umgeben ist vom beißenden Geruch der Rechtswidrigkeit.“ Goll legte dem Innenminister nahe, zu hinterfragen, ob er zur Führung seines Amtes, wie es erwartet werde, überhaupt in der Lage sei. „Man kann einen Fehler machen, auch einen dicken. Aber wenn man nichts daraus lernt, wird die Polizei in Mitleidenschaft gezogen.“
Auch Thomas Blenke, polizeipolitischer Sprecher der CDU, erhob erneut massive Vorwürfe gegen den Innenminister. Dieser habe klipp und klar die Vorgabe gegeben, auch bei der zweiten Runde wenn irgendwie möglich zu keiner personellen Änderung zu kommen. „Die Frage ist, ob es jetzt überhaupt noch möglich ist, die Posten rechtskonform und gerichtsfest zu besetzen“, sagte Blenke. Die neuen Ausschreibungen seien haargenau so formuliert, dass sie exakt auf den früher ausgesuchten Personenkreis zutreffen würden. „Mission erfüllt. Weitere Bewerber sollen ferngehalten werden – das ist zumindest rechtlich reichlich fraglich“, sagte Blenke. Die einst so stolze Polizei von Baden-Württemberg drohe gerade bundesweit zum Gespött zu werden. „Die 25000 Beamten wollen endlich ungestört ihre Arbeit machen, und die Chefs beschäftigen sich seit einem halben Jahr nur mit sich selbst“, so der CDU-Politiker. „Dieser Schlamassel wird für immer mit dem Stempel stümperhafter rot-grüner Innenpolitik versehen sein.“
Für Ulrich Sckerl (Grüne) dagegen sind die Anschuldigungen von CDU und FDP ein „einmaliger Vorgang“ und ein „unredlicher Versuch, die Polizeireform im Nachhinein auszuhebeln“. Sckerl: „Diese Art der Diskussion führt die Polizei in tiefe Zweifel.“ Dagegen hätten CDU und FDP jahrzehntelang vor massiven Strukturreformen immer nur die Augen verschlossen. An der Rechtsstaatlichkeit des Auswahlverfahrens, so Sckerl, gebe es überhaupt keinen Zweifel. Auch Nikolaos Sakellariou (SPD) warf der Opposition Heuchelei vor. Bei der Debatte gehe es CDU und FDP nicht um die Polizei, sondern darum, auf Kosten der Polizei die Deutungshoheit zu gewinnen.
Durch die Ausschreibungsformulierung sei die Zahl der potentiellen Bewerber verdoppelt worden. „Mit ein bisschen gutem Willen kann man das erkennen“, sagte Sckerl. „Sie versuchen, den Minister zu treffen. Aber Sie treffen den Apparat und ziehen Beamte mit dieser Debatte in den Schmutz.“
Innenminister Gall selbst konterte die Vorwürfe. „Wir haben alles dran gesetzt, um das neue Verfahren so offen und transparent wie nur irgend möglich zu gestalten“, sagte Gall. „Die musste erst einmal gemacht werden, die gab es so im Innenministerium bisher nicht.“ Die Ausschreibung sei so formuliert, dass die Bewerberlage deutlich verbreitern konnte. Dagegen hätten die Vertreter der Opposition Gesprächsangebote an keiner Stelle wahrgenommen, um ihr Meinungsbild zu korrigieren. „Wir haben dem Ansinnen Rechnung getragen, am Ende tatsächlich eine Bestenwahl zu treffen“, sagte Gall und wiederholte, keinen Einfluss zugunsten einzelner Bewerber genommen zu haben: „Es gibt keinen Auftrag des Ministers, wie die Ausschreibung gestaltet werden sollte oder muss.“