Stuttgart. Mit der Stimmenmehrheit der Regierungsfraktionen und gegen die Stimmen von CDU und FDP hat der Landtag nach zweiter Lesung den Gesetzentwurf für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (WTPG) beschlossen. Das Gesetz regelt den rechtlichen Rahmen für ambulant betreute Wohngemeinschaften, die künftig älteren und behinderten Menschen vielfältig ausgestaltete und rechtlich differenziert abgesicherte Alternativen und zwischen den Polen „eigene Wohnung“ einerseits und „stationäre Pflege“ andererseits bieten sollen.
Die Opposition kritisierte die im Regelfall angestrebte Größe von maximal acht Personen pro Wohngemeinschaft als wirtschaftlich nicht machbar und übte Kritik an den strengen Auflagen, die mit einer – dem Wunsch von Verbänden und Betreibern zugestandenen – Vergrößerung der Wohngemeinschaften auf maximal zwölf Bewohner einhergehen.
In der Regel müssen die neuen ambulant betreuten Wohngemeinschaften folgende Vorgaben erfüllen: Die Bewohner müssen ihre Pflegeleistungen frei wählen können, es muss eine Präsenzkraft anwesend sein, in der Wohnung müssen insgesamt 25 Quadratmeter pro Person, in der Regel in einem Einzelzimmer zur Verfügung stehen und die Wohngemeinschaft darf nicht mehr als acht Personen umfassen.
Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) zeigte sich überzeugt, dass dieser eng an die eigene Häuslichkeit angelehnten ambulant betreuten Wohngemeinschaft die Zukunft gehöre. „Sie entspricht den Bedürfnissen und Ansprüchen vieler hilfs- und pflegebedürftiger Menschen“, so Altpeter. „Die Menschen wollen bei allen Wohnformen ein Höchstmaß an Privatheit, Wohnkomfort und Sicherheit. Wir gehen bundesweit einen völlig neuen Weg und ermöglichen eine Vielzahl von neuen Wohnangeboten zwischen den Polen Heim und eigene Wohnung. Wir sind überzeugt, dass das der Weg der Zukunft ist und auch wirtschaftlich machbar.“ Allerdings seien nicht alle Beteiligten innerlich bereit, sich vom Gedanken an ein stationäres Kleinstheim zu entfernen, räumte Altpeter ein. Deshalb würden auch weiter Wohnformen mit bis zu zwölf Bewohnern zugelassen. „Aber auch darin müssen die Privatheit und die Sicherheit der Bewohner gewährleistet sein. Das heißt: In der Regel Einzelzimmer und eine weitere Präsenzkraft“, sagte die Sozialministerin. „Wäre es nach der Opposition gegangen, hätten wir Zwölfer-Wohngemeinschaften mit den bundesweit schlechtesten Standards geschaffen.“ Altpeter bezeichnete die Einzelzimmerregelung als untrennbar verbunden mit dem würdigen Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen. „Davon gehe ich nicht ab. Das ist auch der Umgang, den wir uns für uns selbst wünschen“, so die Ministerin.
In den Grundzügen wurde das Gesetz fraktionsübergreifend begrüßt. Aber während Bärbel Mielich (Grüne) und Thomas Reusch-Frey (SPD) den Anhörungsprozess lobten und das Ergebnis als gut und ausgewogen bezeichneten, kritisierten Thaddäus Kunzmann (CDU) und Jochen Haußmann (FDP) die bürokratischen Auflagen, die eine wirtschaftlichen Betrieb von Zwölfer-Wohngemeinschaften unmöglich machten, und setzten auf Nachbessrung durch Impulse der frisch eingesetzten Pflege-Enquete-Kommission. „Wenn dieses Gesetz kommt, werden ambulante Wohnformen zum Privileg für Reiche“, sagte Kunzmann. „Viele werden sich diese Wohnform nicht leisten können.“ Die Höchstgrenze der Bewohner auf zwölf statt auf acht Bewohner zu setzen, erfülle zwar nach außen die Forderung von CDU und Verbänden. „Gleichzeitig werden aber die Auflagen so hoch angesetzt, dass von einem Placebo gesprochen werden muss.“ Haußmann nannte das Gesetz am Ende mutlos und kritisierte, dass viele Kritikpunkte nicht aufgegriffen worden seien. „In der vorliegenden Fassung ist das Gesetz unsozial und wird nicht die Impulse bringen, die wir brauchen.“
Bärbel Mielich (Grüne) nannte die Kritik von CDU und FDP „marginal“. „Bürgermeistern und Gemeinden ist längst klar, dass sie sich engagieren und Wohngruppen für Menschen im Alter einrichten müssen.“, sagte sie und warf der CDU vor, diese gesellschaftliche Entwicklung komplett verschlafen zu haben. Es sei bedauerlich, dass sich die Opposition trotz grundsätzlicher Übereinstimmung nicht dazu durchringen könne, dem Gesetz zuzustimmen.
„Es ist ein gutes Gesetz, wir brauchen es, viele warten darauf.“, sagte auch Thomas Reusch-Frey (SPD). „Wir tun etwas für pflegebedürftigen Menschen und für die Familien, weil diese Menschen ihn Wohngruppen vor Ort versorgt werden können, wo kein Heim vorhanden ist.“ Das Gesetz bringe zudem Planungssicherheit für die Betreiber. Reusch-Frey: zeigte sich überzeugt: „Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit lassen sich miteinander verbinden.“