Stuttgart. Darf eine Aktuelle Debatte im Landtag in die Nähe von kabarettistschen Auftritten abdriften? Schaden Diskussionen mit dürftigem Inhalt dem Ansehen von Parlamentarieren und des hohen Hauses? Diese Frage müssen sich nicht bloß Beobachter der von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Debatte "Grün-Rote Verbotspoltik - ideologische Gängelung von mündigen Bürgern" am Mittwoch im Landtag stellen, sondern auch die beteiligten Politiker und Parteien selbst.
Als Fazit bleibt: Selten war eine Aussprache im Parlament so überflüssig wie die über den zweiten Punkt der heutigen Tagesordnung. Sie hätte eigentlich - passend zum Thema - verboten gehört.
"Es gibt nicht nur die Würde des Menschen, sondern auch die Würde des Parlaments", echauffierte sich SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel nach der Rede des CDU-Abgeordneten Reinhard Löffler. Solch eine Debatte könne man vielleicht am Aschermittwoch halten, nicht aber im Parlament, kritisierte Schmiedel die Ausführungen des Stuttgarter Rechtsanwaltes, der am Mittwoch 59 Jahre alt wurde und dessen Rede in die Tat eher auf seine Geburtstagsfeier gepasst hätte, als in den Landtag. Löffler lieferte mit seinem Beispiel des angedachten Verbots hoher Mieten auch eine Steilvorlage für Schmiedel, der betonte, natürlich sei dies ein klares Anliegen der SPD.
In seinem Beitrag, der weitgehend einer Büttenrede glich, nahm Löffler die Grünen als "neue Spießerpartei" aufs Korn. Durch die Regierungspartei erlebe man die politische Unwürdigkeit des Verbietens, das Wahlprogramm der Grünen lese sich wie ein "Umerziehungsprogramm". Die Verbotsliste der Grünen spare keine gesellschaftliche Nische aus und das liberale Denken aus der Gründerzeit der Öko-Partei sei ausgestorben. Lediglich das von CDU und FDP vehement geforderte Schuldenverbot in der Landesverfassung werde ausgeklammert - schließlich könnten die Grünen "auch nicht alles verbieten", betonte Löffler süffisant.
Seinen Beitrag "garnierte" Löffler mit philosophischen Zitaten, teilweise geschmacklosen Beispielen, windigen Anekdoten und flachen Sprüchen wie "wer zwei Mal seinen Hausmüll trennt, gehört schon zum Establishment". Angesichts dessen erfror selbst in den Reihen der CDU-Fraktion die anfängliche Heiterkeit in leichte Betoffenheit.
Nicht bloß Andreas Schwarz (Grüne) fragte sich ob des bisweilen peinlichen Auftritts, ob der CDU die Themen ausgegangen sind. Er mutmaßte, der "wahre Oppositionsführer FDP" habe der CDU das aktuelle Thema "Nationalpark" für die Debatte vor der Nase weggeschnappt, weshalb sich die CDU dieses Verlegenheitsthemas bediene. Doch es sei "kein Platz für Kabarett im Parlament", konstatierte Schwarz. Er erinnerte die CDU an die von ihr in der vergangenen Legislaturperiode beschlossenen Verbote für Alkoholverkauf und Rauchen in öffentlichen Gebäuden sowie an das von CDU-Landeschef Thomas Strobl geforderte Fracking-Verbot am Bodensee. Schwarz wähnte "Klärungsbedarf" in den eigenen Reihen der CDU und fragte, ob sich die Fraktion noch "zu unserer Rechtsordnung bekennt". Die Grünen jedenfalls stünden zu Verboten immer dann, "wenn sie Sinn machen".
Schützenhilfe erhielt Löffler von Ulrich Goll (FDP). Im Kern habe der Kollege Recht, sagte der Liberale. So sei im Wahlprogramm der Grünen unter anderem ein Verbot des Skilaufens im Schwarzwald aufgeführt. Dennoch ist dem früheren Justizminister, wie schon in seiner Amtszeit, die "Verbieteritis" ein Dorn im Auge. Deshalb wandte sich auch Goll gegen die "Verbotsorgien" von Grün-Rot, was ihm von Schmiedel den Zwischenruf "Sie sind ein Polit-Clown" einbrachte. Goll bezeichnete die Grünen als die "autoritärste Partei".
Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) versuchte Sachlichkeit in die Debatte zu bringen. Die Freiheit des Einzelnen ende dort, wo sie die Freiheit Aller bedrohe. Grund für Verbote sei es, die Rechte von Dritten zu schützen. Als Beispiele nannte sie Nichtraucherschutz, Fracking oder Tempolimit. Außerdem packte Krebs die CDU an der eigenen Nase: Die Christdemokraten würden Heirat von Lesben und Schwulen verbieten, Menschen zwei Staatsbürgerschaften und Eltern die freie Entscheidung darüber, welche Schule ihre Kinder besuchen. Es sei legitim, Regeln aufzustellen. "Und dazu gehören auch Verbote", konstatierte die Ministerin.