Stuttgart. Der Wahlkampf nimmt auch im Landtag immer mehr Fahrt auf. Zum Abschluss der 141. Sitzung der laufenden Legislaturperiode gerieten sich die Regierungsfraktionen und die Opposition beim „Wahlthema“ Bildung und Schule gewaltig in die Haare. Karl Traub (CDU) warf Kultusminister Andreas Stoch (SPD) vor, die Kannibalisierung der Schulen vor allem im ländlichen Raum zu betreiben und für das Schulschließungsprogramm dort verantwortlich zu sein. Stoch sei der „Totengräber“ von vielen Gemeinden und ihren Schulen auf der Laichinger Alb, schimpfte Traub. Dessen FDP-Kollege Timm Kern warf Grün-Rot „bildungspolitische Irreführung“ vor.
Dabei ging es beim letzten Tagesordnungspunkt der letzten Plenarsitzung im Oktober um einen Antrag der CDU vom Mai 2014 – aber da es im Parlament keine Verjährungsfristen gibt, können auch solche in die Jahre gekommenen und teilweise von der Gegenwart überholten Anträge, wie von der CDU praktiziert, immer noch auf die Tagesordnung gesetzt werden. Aus CDU-Sicht verständlich, wollen die Christdemokraten doch gerade die Schulpolitik und vor allem die von Grün-Rot gehätschelte und von der CDU ungeliebten Gemeinschaftsschule zum Wahlkampfthema machen.
Also kritisierte Traub, Stoch habe das Schulsterben im ländlichen Raum „massiv beschleunigt“. Mit starren Vorgaben würde Schulen das Wasser abgetragen, Kommunen hätten „pure Angst“, ihren Schulstandort zu verlieren. „Die Bürgermeister sind überzeugt vom Schulstandort und nicht von der Gemeinschaftsschule.“
Jürgen Filius (Grüne) konterte mit dem Hinweis auf Reaktionen gerade der Bürgermeister auf der Laichinger Alb, wonach es denen „noch nie so gut gehen würde“ wie unter Grün-Rot. Filius mahnte zur Sachlichkeit und betonte, viele Schulstandorte könnten sich wegen geringer Schülerzahlen einfach nicht mehr halten. Deshalb verteidigte das Schulentwicklungsprogramm der Landesregierung, dieses sei „zwingend notwendig“ gewesen. Und er schrieb der Opposition ins Stammbuch, Grün-Rot sei für ein wohnortnahes Bildungsprogramm und werde sich nicht vom Weg abbringen lassen.
Auch Klaus Käppeler (SPD) wunderte sich über die Angriffe der CDU. Die „Unkenrufe“ der Opposition hätten nichts mit der Realität zu – „weder damals 2014, noch heute“. Und der Rektor der Grund- und Hauptschule Hohenstein ließ Zahlen sprechen: 93 Prozent der 125 Verfahren zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen seien im Konsens mit den Schulträgern abgeschlossen worden. Die CDU habe während ihrer Regierungszeit die Kommunen „allein gelassen“. Und er erinnerte daran, dass gerade die ländlichen Gemeinden immer mehr Schüler verlieren. Käppeler jedenfalls ist überzeugt, dass die CDU mit dem Thema Gemeinschaftsschule kaum Wähler gewinnen wird. „Wenn Sie so weitermachen, bereiten Sie sich optimal auf weitere fünf Jahre in der Opposition vor“, sagte er und erntete Beifall der Regierungsfraktionen.
Danach war auch Timm Kern (FDP) in Wahlkampf-Stimmung. Was Grün-Rot treibe, grenze an „bildungspolitische Irreführung“, kritisierte er. Für viele Gemeinden im ländlichen Raum heiße die Alternative, Gemeinschaftsschule oder überhaupt keine Schule. Immerhin habe Grün-Rot ihren „Traum“ von der Abschaffung des Gymnasiums aus wahlkampf-technischen Gründen auf Eis gelegt. Denn selbst der Ministerpräsident habe erkannt, dass man sich nicht mit den Gymnasien anlegen dürfe. Auch Kern, promovierter Pädagoge am List-Gymnasium Reutlingen, ist erklärter Gegner der Gemeinschaftsschule – denn die „soll nicht nur alles können, sondern auch Schulen bündeln“.
Obwohl auch Kultusminister Andreas Stoch durchaus den verbalen Säbel führen kann, blieb der Heidenheimer erstaunlich zurückhaltend. Gute Bildungsangebote müssten überall im Land vorhanden sein, niemand dürfe durch seinen Wohnort Vor- oder Nachteile haben. Er erinnerte an die seit den 1970er-Jahren zurückgehenden Geburtenzahlen in Deutschland (von 2,5 auf momentan 1,4 Kinder) und auch daran, dass die frühere CDU-Kultusministerin Annette Schavan bereits Änderungen im Schulsystem erwogen hatte. Jetzt gebe es die Schwierigkeit, Schulstrukturen und Schulstandorte zu sichern. Nicht zuletzt deshalb sei die Schulentwicklung gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden als „Partner auf Augenhöhe“ entwickelt worden. Die Zusammenarbeit von Schulen sei notwendig. Und er schloss den Bogen zu seinem Kritiker Traub: „Gerade für die Laichinger Alb brauchen wir die Gemeinschaftsschule.“ Stoch setzte sogar noch einen drauf. Die Gemeinschaftsschule bezeichnete er als „entscheidenden Schlüssel“ für die Qualität im ländlichen Raum. Langer Applaus der Regierungsfraktionen begleitete den aufrechten Abgang des Ministers.