Stuttgart. Die Kluft zwischen den etablierten Parteien und der Alternative für Deutschland (AfD) im Landtag von Baden-Württemberg wird immer größer. „Sie sind eine Schande für den Deutschland und Baden-Württemberg“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch am Mittwoch in der von der CDU beantragten aktuellen Debatte „Nach der Spaltung der AfD-Fraktion – für einen Parlamentarismus der Verantwortung“ in Richtung der inzwischen gespaltenen größten Oppositionspartei. Der Landtag sei nicht der Ort für die Hahnenkämpfe einiger AfD-Funktionäre, auch „kein Sandkasten für Frau Petry“ und biete kein Stipendium für streitsüchtige Akteure, konstatierte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart.
Die AfD habe mit dem Feuer des Populismus gespielt, sich dabei die Finger verbrannt und sich selbst gespalten, argumentierte Reinhart. Es gehe bei der AfD nur um Protest; dadurch und durch die Querelen werde jedoch die Arbeit des Landtags blockiert. „Wir werden die Taktik des Missbrauchs des Parlaments nicht mitmachen“, betonte Reinhart. Die Partei habe es nicht geschafft, sich von antisemitischen Tendenzen abzugrenzen. Im Zusammenhang mit den in einem Buch des AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon veröffentlichten Äußerungen sagte der CDU-Politiker: „Sie hatten Gedeon nicht in die AfD aufnehmen und zur Wahl aufstellen dürfen.“
Auch Andreas Schwarz (Grüne) ging mit der AfD und der von ihrem früheren Fraktionschef Jörg Meuthen und 13 weiteren Abgeordneten gegründeten Alternative für Baden-Württemberg hart ins Gericht. Die Rechtspopulisten seien Demokratie und Politik unfähig, sie zeigten keine Verantwortung für Baden-Württemberg und die Rechtsordnung. Mit dem „unrühmlichen Schauspiel“ missbrauche die AfD den Landtag. „Die Rechtspopulisten haben sich selbst gespalten“, stellte Schwarz fest. Er fühle sich beim Gebaren der AfD an den Denver-Clan erinnert.
Es könne keine zwei Fraktionen einer Partei geben, lehnte SPD-Fraktionschef Stoch die Bildung von zwei AfD-Gruppierungen im Parlament ab. Die AfD habe nicht mal ein Mindestverständnis für das parlamentarische System und sei keine Alternative für die Menschen im Land. „Populismus und Verschwörungen ist keine Basis und können nicht Sinn der parlamentarischen Arbeit sein“, erklärte Stoch. Die AfD müsse ihre Streitigkeiten woanders ausmachen: „Kleine Kinder gehen dafür in den Sandkasten.“
Auch die Liberalen kritisierten die AfD scharf. Mit solcher Art von Politik, mit solchen unwürdigen Schauspielen schade sie dem Ansehen des Landtags, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke. Diese Selbsterfahrungsgruppe brauche einen Stuhlkreis, sagte Rülke.
Der neue AfD-Fraktionschef Heiner Merz dankte der CDU für die „längst überfällige Debatte“ über seine Partei. „Antisemitismus lehnen wir strikt ab“, stellte er fest. Gleichzeitig forderte er von den anderen Parteien Stil, Anstand und Offenheit gegenüber der AfD; diese sehe sich von Anfang an einer „parlamentarischen Feindseligkeit“ ausgesetzt. Den innerparteilichen Streit bezeichnete Merz als einen Vorgang, der „nur als Randnotiz“ in die Geschichte des baden-württembergischen Landtags eingehen werde. Merz gab sich optimistisch, dass die beiden Lager bald wieder einig werden: „Es wird zusammen finden, was zusammen gehört.“ Dafür kämpfe er.
Auch Jörg Meuthen wies den Vorwurf des Antisemitismus zurück. „Er habe Gedeons Äußerungen immer als antisemitisch bezeichnet“, erklärte er. Er und die 13 Abgeordneten hätten, nachdem der Ausschluss Gedeons aus der Fraktion an der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gescheitert war, wie von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) „die Reißleine gezogen“ und damit politisch konsequent gehandelt.
Der fraktionslose Abgeordnete Gedeon warf CDU, Grünen, SPD und FDP „Pauschalvorwürfe“ vor. „Wer hat mein Buch gelesen?“, fragte er in die Runde und hielt sein Buch in der Hand. Eine „Verkaufsveranstaltung“, kritisierte daraufhin der Grünen-Fraktionschef Schwarz. „Unterirdisch“ fand Rülke den Auftritt Gedeons. Andreas Stoch sah Widersprüche in den Äußerungen von Merz und Meuthen, aber dies scheine bei der AfD „System zu sein“. Die Gruppierungen würden sich wieder in die Opferrolle begeben. Das Parlament dürfe aber keine Einrichtung für „gescheiterte Politiker“ sein.
Für Aufregung sorgte abschließend Heinrich Fiechtner, der jetzt auch zur Alternative für Baden-Württemberg gehört. Es gebe auch in den Reihen der etablierten Parteien Menschen, die durch antisemitistische Äußerungen aufgefallen seien. „Wir vertreten das Volk und die Werte unseres Volkes“, schloss Fiechtner seinen Beitrag.