Kopftuch verschwindet aus dem Schulgesetz

08.07.2015 
Redaktion
 
Foto: Landtagspressestelle

Foto: Landtagspressestelle

Stuttgart. Das Kopftuch verschwindet aus dem Schulgesetz in Baden-Württemberg. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März dieses Jahres, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit verstößt, muss auch der Landtag das Schulgesetz und das Kindertagesbetreuungsgesetz ändern.

Grüne und SPD brachten dazu am Mittwoch einen Gesetzentwurf in den Landtag ein, der allerdings nach Intervention der Opposition nicht mehr vor der Sommerpause in zweiter Lesung verabschiedet wird.

CDU und FDP hatten sich gegen „Schnellschüsse“ ausgesprochen und stattdessen eine Anhörung am 17. Juli mit Kirchen, Vertretern der Kommunen und Schulpraktikern sowie Wissenschaftlern angekündigt. Man gehe „ergebnisoffen“ in diese Anhörung, sagte Georg Wacker (CDU). Kultusminister Andreas Stoch (SPD) äußerte sich darüber verwundert: Die Entscheidung der Karlsruher Richter lasse keinen Spielraum.  

Opposition hatte Gesetzentwurf abgelehnt

Die Fraktionen von Grünen und SPD hatten den Entwurf im Juni beschlossen und an die Oppositionsfraktionen weitergegeben, um einen interfraktionellen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen und bereits vor Beginn des neuen Schuljahres „Rechtssicherheit“ an den Schulen und in den Kindergärten zu schaffen. CDU und FDP lehnten dies jedoch ab. Daraufhin wurde die zweite Lesung mit der Verabschiedung des Gesetzes auf Oktober verlegt.

Mit dem Gesetzentwurf werde lediglich das umgesetzt, was vom Verfassungsgericht als eindeutig aus dem Grundgesetz ableitbar beschrieben werde, erklärte Stoch. Man könne eine Landesverfassung nicht grundgesetzwidrig auslegen. Das seit 2004 im Südwesten geltende generelle Kopftuchverbot in Schulen und Kindergärten untersage Lehrer- und Erzieherinnen das Tragen eines Kopftuchs. Die christliche Religion sei von diesem Verbot religiös konnotierter Kleidungsstücke oder Symbole ausgenommen. Dieses Privilegium Christianum habe das Verfassungsgericht als grundgesetz- und verfassungswidrig bezeichnet, erklärte der Minister. Deshalb dürfe diese Vorschrift im Schulgesetz nicht mehr beachtet werden.

Grüne: Durch Gesetz wird sich wenig ändern

Künftig sei es nicht mehr möglich, Lehrerinnen nicht mehr einzustellen, nur weil sie ein Kopftuch tragen. Bei einer Störung des Schulfriedens könne das Kopftuch in den Einrichtungen im Einzelfall verboten werden. Stoch warnte allerdings davor, das Tragen eines Kopftuchs mit der Gefährdung des Schulfriedens zu verbinden.

Nach Ansicht von Edith Sitzmann (Grüne) wird sich durch die Gesetzesänderung in Zukunft „wenig ändern“.  Es müsse lediglich für Musliminnen das Tragen des Kopftuchs erlaubt sein; nur noch bei konkreter Gefahr oder einem Anlass, der den Schulfrieden stört, könne gehandelt werden. Grün-Rot arbeite daran, mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.  

Georg Wacker (CDU) forderte Zeit, um die komplizierte Materie rechtlich und politisch abzuwägen: „Wir möchten keinen Schnellschuss vollziehen.“ Für die CDU stelle sich die Frage, ob die ersatzlose Abschaffung des Privilegiums Christianum denn überhaupt denkbar sei. Auch die Frage, wer definiere, ob der Schulfriede durch das Tragen eines Kopftuchs gestört ist, müsse geklärt werden.

FDP prophezeit Probleme an Schulen

Für Timm Kern (FDP) ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ohnehin „überraschend“, hatte dieses doch bisher stets die Kopftuchverbote in den einzelnen Ländern akzeptiert. Der Bildungsexperte der Liberalen warf der Landesregierung vor, eine öffentliche Debatte über das Tragen religiöser Symbole durch Lehrkräfte zu scheuen; deshalb hätten auch die Fraktionen den Gesetzentwurf eingebracht. Dies führe allerdings zu einer wichtigen Konsequenz: „Für Gesetzentwürfe der Landesregierung ist eine Anhörung vorgeschrieben, für Entwürfe von Fraktionen nicht“, erklärte Kern. Er forderte, die Grenzen neu zu ziehen - zwischen dem Kopftuch als Ausdruck des persönlichen Glaubens und einer Symbolik, die für andere Einschränkung bedeutet. Kern prophezeite, dies werde die Schulleiter im Alltag vor große Probleme stellen.

Aus Sicht von Claus Schmiedel (SPD) wird der Schulfrieden dann gestört, wenn es über das Tragen des Kopftuchs hinaus zu einem Werben für das Tragen kommt und damit die Neutralität der Lehrerinnen verletzt wird sowie Freiheit nicht mehr gegeben ist. Die Schule selbst oder die Schulaufsicht müssten dies im Einzelfall beurteilen.


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Titelbild Staatsanzeiger