Stuttgart. Die Landtagsabgeordneten werden den Verfassungsschutz künftig stärker kontrollieren. Die Parlamentarier haben an diesem Mittwoch in zweiter Lesung das „Gesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes“ einstimmig verabschiedet. „Wir haben bei durchaus unterschiedlichen Positionen zum Verfassungsschutz ein gutes Ergebnis erreicht“, sagte Volker Schebesta (CDU).
Innenminister Reinhold Gall (SPD) sprach von einer angemessenen, ausgewogenen und praxisgerechten Lösung. Und Sascha Binder (SPD) machte deutlich, dass der Landtag damit auch mehr Verantwortung als bisher gegenüber dem Verfassungsschutz übernehme. Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) sprach von einem Beitrag, das Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz wieder herzustellen.
Der von allen vier Fraktionen gemeinsam eingebrachte Gesetzentwurf war eine Folge der jahrelang unerkannt gebliebenen Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Den Rechtsterroristen werden zehn Morde zugerechnet, darunter auch der an der Polizistin Michèle Kiesewetter aus Heilbronn im Jahr 2007. Wobei Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) betonte, dass es in Baden-Württemberg – anders als in anderen Bundesländern – keine Verfassungsschutzskandale gegeben habe, die ein reagieren notwendig gemacht hätten. Dennoch sei man gehalten gewesen, sich mit dem Thema zu befassen.
Bislang ist vor allem der Ständige Ausschuss des Landtags für die Kontrolle des Landesamts für Verfassungsschutz zuständig. Zudem gibt es ein G-10-Gremium, das vertraulich über Abhörmaßnahmen informiert wird. Die Bezeichnung G-10-Gremium verweist auf das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, das Artikel-10-Gesetz oder kurz G 10. Mit dem parlamentarischen Kontrollgremium werden die Zuständigkeiten für den Verfassungsschutz im Landtag nun gebündelt und die Befugnisse des Parlaments erweitert.
Das Kontrollgremium, das in dieser Legislaturperiode aus elf Abgeordneten besteht, kann jederzeit umfassende Auskünfte und Berichte zu konkreten Vorgängen des Verfassungsschutzes fordern. Es hat die Möglichkeit der Akteneinsicht und ein Zutrittsrecht zu den Dienststellen des Landesamts. Darüber hinaus haben die Mitglieder des Gremiums auch die Möglichkeit, Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz zu befragen. Diese können sich auch direkt an das Kontrollgremium wenden. Die Mitglieder des parlamentarischen Kontrollgremiums, die vom Landtag neu gewählt werden, sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Das Gremium tagt mindestens einmal pro Vierteljahr, auf Antrag eines Mitglieds auch häufiger. Die Zahl der Mitglieder legt der Landtag in jeder Legislaturperiode neu fest.
Die Landtagsfraktionen haben sich auch auf Standards für den Einsatz von V-Leuten geeinigt. So dürfen V-Leute etwa keine schwerwiegenden Straftaten begangen haben und auch nicht finanziell von der Tätigkeit als Vertrauensperson des Verfassungsschutzes als Lebensgrundlage abhängig sein. „Die Verständigung über den Einsatz von V-Leuten ist ein guter Kompromis“, sagte Sckerl. Er machte aber auch klar, dass etwaige Empfehlungen zu V-Leuten, die sich aus dem NSU-Untersuchungsausschuss ergeben, künftig ebenfalls berücksichtigt werden müssten. Und Sascha Binder machte deutlich, dass durch die gesetzliche Regelung das Parlament etwaige notwendige Änderungen selbst vornehmen könne.
„Was heute beschlossen wird ist ohne Zweifel wichtig, aber andere Fragen sind noch unbeantwortet“, sagte Ulrich Goll (FDP). Es sei nun zuerst entschieden worden, wie man etwas kontrollieren wolle, statt was man im einzelnen kontrollieren wolle, spielte er auf Unstimmigkeiten zwischen SPD und Grünen bezüglich des Verfassungsschutzes in der Vergangenheit an.