Stuttgart. Kinder, Jugendliche und in besonderen Fällen auch Erwachsene, die Opfer einer schweren Sexual- oder Gewaltstraftat wurden, erhalten vom kommenden Jahr an die Möglichkeit einer kostenfreien Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters. Dies sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vor, den Justizminister Guido Wolf (CDU) am Donnerstag in den Landtag einbrachte. Die Landesregierung nehme den Auftrag ernst, Opfern von Straftaten bei anschließenden Prozessen die notwendige Begleitung zur Verfügung zu stellen und damit Menschen, denen auf ihrem Weg Unrecht widerfahren ist, wirklich und wirksam zu helfen, begründete Wolf die Initiative.
„Es geht uns darum, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren: Die psychosoziale Begleitung soll auch verhindern, dass aus Betroffenheit als Opfer letztlich im weiteren Verlauf eigene Straffälligkeit entsteht“, sagte der Minister. Die intensive Form der Zeugenbegleitung soll die oft psychisch stark belasteten Zeugen vor ihrer Aussage bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht stabilisieren und ihnen Halt geben. Hiervon würden die Betroffenen, aber auch die Justiz profitieren. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen, um für eine psychosoziale Prozessbegleitung in Frage zu kommen. „Hier geht es um Opferschutz. Menschen, denen Unrecht geschah, soll geholfen werden, die Folgen der Straftat zu lindern. Die Opfer sollen spüren, dass nicht nur die Täter eines Strafverfahrens im Mittelpunkt stehen, sondern dass es in gleicher Weise um ihren Schutz als Opfer geht“, erklärte Wolf.
Hinter dem Gesetzentwurf, der sehr technisch anmutet, würden „echte Schicksale stecken“, sagte Nese Erikli (Grüne). Es gehe um Menschen, die Opfer schwerster Verbrechen geworden sind, Vergewaltigung, Menschenhandel, Menschen, die schwere körperliche und seelische Schäden durch versuchten Mord oder schwere Körperverletzung erfahren hätten und die besonders schutzbedürftig seien. Der Bundesgesetzgeber habe 2015 entschieden, diesen eine psychosoziale Begleitung an die Seite zu stellen. Diese sei richtig. Der Gesetzentwurf sei im Wesentlichen mit anderen Bundesländern abgestimmt.
Für die seine Fraktion sei es wichtig, in diesem hoch sensiblen Bereich nur lebenserfahrene, qualifizierte und zuverlässige Prozessbegleiter zu haben, sagte Arnulf Freiherr von Eyb (CDU). Deshalb sei in dem Gesetz geregelt, welche fachlichen Qualifikationen diese Begleiter haben müssen und wie es mit der Fortbildungsverpflichtung sowie der Verschwiegenheitspflicht aussehe. Die Tätigkeit des Prozessbegleiters sei auf fünf Jahre befristet, dann muss es erneuert werden.
Aus Sicht von Heinrich Fichtner (AfD) folgt dem Opferrechtsreformgesetz des Bundes vom 21. Dezember 2015 die Landesgesetzgebung als „richtiger und notwendiger Schritt“. Es gehe nicht nur um die Stärkung des Opferschutzes, sondern auch um die Stärkung der Opferrechte. In Zeiten steigender Gewaltkriminalität sei dies „ein richtiges Signal“.
Als Meilenstein bezeichnete Reinhold Gall (SPD) das Gesetz, das ursprünglich durch die europäische Ebene angestoßen wurde. Er schließe sich seinem Parteikollegen, dem ehemaligen Justizminister Rainer Stickelberger, an, der verängstigte oder gar traumatisierte Zeugen – und dies seien ja viele gerade der jugendlichen Opfer – in der Regel auch im Rahmen des Prozesses keine guten Zeugen seien – es sei denn, sie erhielten eine professionelle Begleitung.
Ausreichende Information und umfassende Stabilisierung könnten den Opfern helfen, das Erlittene in einem emotionalen Strafprozess besser zu verarbeiten, sagte Nico Weinmann (FDP). „Das ist richtig, gut und notwendig.“ Damit könne sichergestellt werden, dass die Opfer das erlittene Leid nicht noch einmal im Strafverfahren durchleben müssen, betonte der Fachanwalt für Strafrecht.