Stuttgart. Klagen oder Verhandeln – das ist im Landtag die Frage. Die Oppositionsfraktionen von CDU und FDP fordern von der Landesregierung, wie Bayern und Hessen gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen. Spätestens, wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit den von ihm angeregten Verhandlungen mit den 13 Nehmer-Ländern scheitere, müsse auch Baden-Württemberg klagen, forderte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke in der von den Liberalen geforderten aktuellen Debatte an diesem Mittwoch im Landtag.
Für den CDU-Finanzexperten Klaus Herrmann steht fest, dass die Verhandlungen bisher nichts brachten und auch künftig nichts bringen werden. Deshalb müsse sich das Land der angekündigten Klage von Hessen und Bayern anschließen. Herrmann sieht dadurch „größere Chancen“ auf einen Erfolg der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Kretschmann erklärte, er stelle zwar den Länderfinanzausgleich „nicht grundsätzlich“ in Frage. Wenn in diesem Jahr nun aber auch Hamburg zum Nehmerland geworden sei, dann „kann etwas nicht stimmen“. Der Ministerpräsident kritisierte, es könne nicht sein, dass immer weniger Länder immer mehr in den Länderfinanzausgleich bezahlen. Deshalb sprach sich der Regierungschef für eine Deckelung der Zahlungen aus: „Es muss einen Schutz für die Geber geben.“ So wie derzeit sei der Ausgleich falsch und ungerecht.
Momentan zahlen Bayern 3,9 Milliarden Euro, Baden-Württemberg 2,7 Milliarden Euro und Hessen 1,9 Milliarden Euro an die 13 Nehmerländer. Kretschmann warf Vorwürfe der Opposition zurück, sie sei untätig bei diesem Thema. „Der Länderfinanzausgleich ist nicht erst ungerecht, seit wir an der Regierung sind“, konterte der Ministerpräsident die Kritik. Der frühere Regierungschef Erwin Teufel (CDU) habe den aktuellen, bis 2019 laufenden Modus einst ausgehandelt und als Erfolg bezeichnet, erklärt Klaus Maier (SPD). Und nun wolle Schwarz-Gelb gegen ihr eigenes Gesetz klagen, sagte Maier kopfschüttelnd. Auch Finanzminister Nils Schmid (SPD) warf CDU und FDP vor, in „Ihrem Finanzausgleich“ keine Sanktionierungssysteme verankert zu haben.
Wie Maier wies auch Kretschmann auf die „erheblichen“ Risiken einer Klage hin. Die Finanzkraft der Kommunen sei bisher lediglich zu 64 Prozent darin berücksichtigt; würden die Richter diese stärker berücksichtigen, „kann für uns der Schuss nach hinten losgehen“.
Zudem hält der Regierungschef eine Klage für „verfrüht“. Eine Klage zieht der Grünen-Politiker frühestens dann in Erwägung, wenn die von ihm angeregten Verhandlungen mit seinen Länderkollegen scheitern. Bezugnehmend auf den von der FDP gewählten Titel der Debatte - „... andere verbrennen unser Geld am Nürburgring und am Berliner Flughafen und Grün-Rot schaut zu“ - erteilte Kretschmann dem FDP-Fraktionschef Rülke Politikunterricht. „Der Finanzausgleich ist ein Einnahmeausgleich und was andere Länder mit dem Geld machen, ändert daran gar nichts - ob sie Nürburgringe bauen oder keinen Flughafen zustande bringen.“
Rülke hatte zuvor Grün-Rot vorgeworfen, beim Länderfinanzausgleich komplett zu versagen. Das System, dass nun drei Bundesländer zahlen und damit 13 Bundesländer alimentieren, ist aus Sicht des Liberalen „pervers“ und müsse dringend geändert werden. Rülke kritisierte, Baden-Württemberg zahle 2,7 Milliarden Euro, gleichzeitig mache Grün-Rot im neuen Doppelhaushalt 3,3 Milliarden Euro neue Schulden. „Das kann man keinem Steuerzahler in Baden-Württemberg vermitteln.“
Herrmann verlangte ein neues System vor 2019, das Anreize zur Stärkung der Finanzkraft beinhalte, die Finanzkraft-Reihenfolge der Länder nicht auf den Kopf stellen und bei dem Mehreinnahmen nicht zu Verlusten im Haushalt der Länder führen dürfe. Muhterem Aras (Grüne) sprach von einer „populistischen Scheindebatte der FDP“, die in der Sache nicht weiter helfe. Grün-Rot wolle von einem rein Einnahme abhängigen Ausgleich wegkommen. Für den CDU-Fraktionschef Peter Hauk steht fest, dass „keines der Nehmerländer“ auf das Geld aus dem Finanzausgleich verzichten werde. Er forderte von der Regierung die umgehende Vorlage eines Konzept zum weiteren Vorgehen.