Stuttgart. Die Enquetekommission des Landtags zur Mordserie der rechtsterroristischen NSU erhält keine weiteren Aufgaben. Im Parlament scheiterte die FDP-Fraktion am Mittwoch mit ihrem Dringlichkeitsantrag, wonach sich die Kommission zusätzlich um jede Form des politisch oder religiös motivierten Extremismus kümmern soll. Die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD lehnten den Antrag gegen die Stimmen von CDU und FDP ab.
Zuvor hatte bereits das Landtagspräsidium beschlossen, den Antrag nicht auf die Tagesordnung zu setzen und stattdessen eine Anhörung im Innenausschuss vorgeschlagen. Der frühere FDP-Justizminister Ulrich Goll wertete dies als bemerkenswert. „Trotz der gewalttätigen Übergriffe gegen jüdische Mitbürger und salafistischer Ausschreitungen sieht Grün-Rot gegen keinen Bedarf, über die sich vor Ort stellenden Probleme ernsthaft zu sprechen. Die von den Regierungsfraktionen vorgenommene Unterscheidung in bösen und weniger bösen Extremismus ist und bleibt falsch“, sagte der Liberale.
„Die Enquetekommission hat einen ganz konkreten Auftrag. Es geht um Ausmaß und Auswirkung des Rechtsextremismus und um die Frage, welche Konsequenzen daraus für Baden-Württemberg zu ziehen sind“, begründete Ulrich Sckerl (Grüne) die Ablehnung. Daher mache es keinen Sinn, dass dieser sehr konkrete Auftrag durch Erweiterungen „mit anderen, nicht unwichtigen“ Untersuchungs- und Beratungsthemen quasi ein beliebiger Einsetzungsauftrag wird. „In der Sache selbst haben wir überhaupt keine Einwände gegen den Vorschlag, dass sich der Landtag mit religiös und politisch motiviertem Extremismus beschäftigt“, erklärte der Innenexperte der Grünen. Er schlug stattdessen eine öffentliche Anhörung von Landtagsausschüssen mit Sachverständigen vor.
Für die SPD räumte Stefan Fulst-Blei zwar die „unbestritten sehr wichtige Bedeutung“ der Themen ein, doch der Fokus der Enquete heiße Rechtsextremismus. Dennoch müsse die neue Bedrohungslage durch den religiös motivierten Fundamentalismus „eine Behandlung erfahren“. Die Enquete sei dafür aber „das falsche Instrument“.
Dagegen forderte Matthias Pröfrock (CDU) „einen neuen Schub“ für die nur noch wenige Monate beratende Kommission. In Bezug auf den verbalen Schlagabtausch zwischen Cem Özedemir (Grüne), Innenminister Reinhold Gall (SPD) und SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel im Sommer urteilte Pröfrock, der Streit zwischen Grün und Rot überlagere die wichtige Arbeit in der Frage der Extremismusbekämpfung. Der Fall der nordsyrischen Stadt Kobane betreffe Baden-Württemberg nicht allein aufgrund der Flüchtlinge; der CDU-Abgeordnete schilderte den Fall der Konstanzer Gymnasiastin Sarah, die mit 15 nach Syrien gereist ist, dort einen islamischen Gotteskrieger geheiratet hat und im bewaffneten Terrorkampf der IS aktiv ist. „Die Vergangenheitsbewältigung zum Rechtsextremismus seit den 90er-Jahren ist wichtig. Die Enquetekommission muss ihren Blick aber weiten und ihn nach vorn richten“, konstatierte Pröfrock – zumal Gall den Salafismus für die „dynamischste islamistische Bewegung“ halte und eine „ernsthafte Bedrohung“ sehe. Das Schema „links/rechts“ tauge für diese Fragen nicht.
Goll hatte die Kommission als „rückwärtsgewandt“ bezeichnet. Es verkürze die Perspektive, „wenn wir nun zum fünften Mal behandeln, welche Glatzköpfe sich in welchen Hinterzimmern getroffen haben“. Zugleich blieben andere Formen des Extremismus unbehandelt. Daher müsse sich die Enquete zwingend auch um die aktuellen Gefahren etwa durch Salafisten oder Anschläge auf Juden kümmern. Sicher beunruhige die Menschen im Land „der braune Sumpf und die düstere Vergangenheit“, aktuell beunruhige sie aber auch, „dass in unserem Land Salafisten rumlaufen und junge Leute verführen, in den Krieg zu ziehen“.