Stuttgart. Die Bildungspolitik sorgt weiter für Zündstoff im Landtag von Baden-Württemberg. Allerdings fällt es der Opposition von CDU und FDP relativ schwer, die grün-rote Landesregierung konkret wegen ihres Reformkurses im Schulbereich festzunageln.
Die Regierungsfraktionen zeigten sich verwundert über die von der CDU-Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Zu wenig Lehrer – Schulen und Finanzminister Dr. Schmid in Bedrängnis“, da der angesprochene Minister derzeit auf Delegationsreise nach Indien weilt und somit nicht Stellung nehmen konnte. Auch inhaltlich gelang es den Abgeordneten von CDU und FDP, Missstände in der aktuellen Situation an den Schulen aufzuzeigen. Im Gegenteil – Kultusminister Andreas Stoch und Finanz-Staatssekretär Ingo Rust (beide SPD) sowie Sandra Boser (Grüne) und Stefan Fulst-Blei (SPD) konterten die Vorwürfe.
Stoch bezeichnete die Debatte süffisant als „netten Versuch der Opposition“, auf einen Disens zwischen Grün und Rot hinzuweisen. „Investitionen in die Zukunft sind wichtig, aber die Konsolidierung des Haushalts auch“, erklärte der Minister, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Dennoch kann nach seiner Meinung beides, die Haushaltssanierung und der Bildungsfortschritt, gelingen. Er räumte jedoch klar ein, dass auch frei werdende Lehrerstellen aufgrund der rückläufigen Schülerzahlen zur Haushaltssanierung genutzt werden müssen. Stoch wies darauf hin, dass die ‚Schüler-Lehrer-Relation in Baden-Württemberg „besser denn je“ sei.
Auch der Unterrichtsausfall an den Schulen sei erfreulich reduziert worden. Die Unterrichtsversorgung an den Gymnasien sei „so gut wie noch nie“, berichtete der Minister; Grün-Rot habe die schlechte Krankheitsreserve aus CDU-Regierungszeiten inzwischen deutlich verbessert. Nach Ansicht von Stoch bleibt offen, wie viele Lehrerstellen bis 2020 gestrichen werden können, da die oft genannte Zahl von 11 600 Lehrer auf Prognosen beruhe. Aktuell müsse dies jeweils bei der Aufstellung des Haushaltsplanes festgelegt werden.
Ingo Rust verwies auf Beschlüsse der Vorgängerregierung, 12 000 Lehrerstellen zu streichen. Grün-Rot habe nach der Regierungsübernahme 2011 die streichung von 711, von CDU und FDP beschlossenen Lehrerstellen, verhindert. Der Staatssekretär wies darauf hin, dass der Rechnungshof die Streichung von weit mehr Lehrerstellen gefordert habe. „Wir wollen aber Lehrer im System haben“, erklärte Rust. Auch er wies auf das sehr gute Schüler-Lehrer-Verhältnis hin, das mit 14,8 so gut wie nie sei und von Jahr zu Jahr besser werde. Zum Schulfrieden sagte Rust, die Menschen vor Ort wollten eine verlässliche Bildungs- und Schulpolitik.
Volker Schebesta (CDU) hatte zuvor ein düsteres Bild der Schulpolitik gemalt. Finanzminister Nils Schmid sei zurecht innerhalb der SPD in Bedrängnis. Der geplante Lehrerstellen-Abbau sei zu hoch, er werde den Schulen nicht gerecht. Es gehe nicht um die Anpassung der Lehrerstellen an rückläufige Schülerzahlen, sondern darum, freiwerdende Deputate für Reformen zu nutzen. Er forderte eine Nachbesserung im Nachtragshaushalt und stellte „Unzufriedenheit im Land“ über die Schulpolitik fest.
Timm Kern (FDP) fragte, weshalb die SPD die komplette Amtsspitze im Kultusministerium ausgewechselt habe, wenn doch die Bildungspolitik so gut sei im Südwesten. Er warf der Regierung vor, den tatsächlichen Bedarf der Unterrichtsversorgung nicht berechnet zu haben. „Es ist mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort notwendig“, forderte der Liberale. Als „wirksamste Maßnahme“ zum Schulfrieden bezeichnete Kern die regionale Schulentwicklung. Der Liberale glaubt, dass der geplante Personalabbau bis 2020 – 87 Prozent des Etats des Kultusministeriums sind Personalkosten - und der zeitgleiche Ausbau von Ganztagsschulen und Inklusion nicht zusammen.
Sandra Boser (Grüne) sagte, in Baden-Württemberg gebe es trotz immer weniger Schüler so viele Lehrer wie noch nie. Grün-Rot habe „keine einzige Stelle abgebaut“. Sie sprach sich für eine Stärkung der Grundschulen aus und für die Beibehaltung aller Bildungsabschlüsse in der Fläche. Das Land brauche „langfristige Antworten“ und künftig ein Zwei-Säulen-Modell in der Schullandschaft. Boser wies darauf hin, dass „kein Mensch zur Gemeinschaftsschule gezwungen“ werde. Grün-Rot werde keine Schulart abschaffen, versprach sie. Zur Bedeutung der von CDU und FDP ungeliebten Gemeinschaftsschule sagte Boser, es gebe Schulen dieser Art, an denen die Anmeldungen die Zahl der Plätze weit übersteige.
Stefan Fulst-Blei warf der Opposition „Faktenverdrehung“ und „Dreckschleuderei“ vor. Hätten CDU und FDP nach 2011 weiter regiert, „hätten sie das Bildungssystem an die Wand gefahren“. Die Gemeinschaftsschulen seien eine freiwillige Option für die Kommunen, ebenso wie das G9-Gymnasium. Grün-Rot habe die Unterrichts-Qualität gesteigert, der Unterrichtsausfall an beruflichen Schulen sei „auf historisch niedrigem Stand“. Um die Reformen anzupacken, werde die Regierung den Lehrerbedarf „immer neu justieren“.
Hintergrund der aktuellen Debatte war die Aussage von Nils Schmid am Wochenende beim SPD-Parteitag in Reutlingen: 11 600 zu streichenden Lehrerstellen seien nicht in Stein gemeißelt, sagte er. Dagegen meinte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag, er sehe keine großen Hoffnungen dafür, dass sich an den Abbauplänen viel ändert.