Stuttgart. Die grün-schwarze Landesregierung muss nach Meinung der obersten Rechnungsprüfer im Land den Tilgungsplan für die Corona-Schulden straffen. In der Debatte über seine Denkschrift verlangte Rechnungshofspräsident Günther Benz am Donnerstag im Landtag, „ambitionierter“ vorzugehen. Raten von 288 Millionen Euro im Jahr seien für einen Haushalt von über 50 Milliarden Euro Volumen keine nennenswerte Größenordnung. „Angemessen wäre aus unserer Sicht das, was sich das Land im März dieses Jahres selbst zugetraut hat“ – nämlich 500 Millionen Euro Tilgung pro Jahr. „Zu dieser Kennzahl zurückzukehren, wäre kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt für eine nachhaltige Finanzpolitik“, sagte Benz.
Benz hat auch Vorgaben für die Verwendung der Mittel gemacht: „Sie sollten nur zur Finanzierung solcher Maßnahmen dienen, die in einem ursächlichen und begründbaren Zusammenhang mit der Pandemie stehen.“ Grund könne nicht sein, die Gelegenheit zur Kreditaufnahme zu nutzen und immer schon gewollte Dinge, die bislang aber im Haushalt leider keinen Platz gefunden haben, jetzt zu realisieren. Das gelte auch für die Rücklage „Zukunftsland Baden-Württemberg“, die nur dann finanziert und umgesetzt werden dürfe, „wenn ein Pandemie-Zusammenhang tatsächlich besteht“. Allerdings lege der Rechnungshof dabei „keinen ganz engen Maßstab an“.
Für die CDU-Fraktion erinnerte Karl Klein daran, dass die Steuereinnahmen 2019 mit circa 40,9 Milliarden Euro einen bisherigen Höchststand erreichten. Doch nun sei die Finanzherrlichkeit bis auf Weiteres vorbei. Markus Rößler (Grüne) versprach, die Kredite spätestens ab dem Jahr 2024 zu tilgen. Dies werde aber ohne stringente Prioritätensetzung und ohne strukturelle Maßnahmen auch auf der Ausgabenseite nicht zu schaffen sein. Denn: „Auf der Einnahmenseite sind unsere Handlungsspielräume begrenzt, und die Forderung nach einer Absenkung der Grunderwerbsteuer, die es ja in manchen Fraktionen gab, wird dann vermutlich eher Vergangenheit sein.“ Zugleich müsse aber künftigen Generationen die finanzpolitische Handlungsfähigkeit erhalten bleiben.
„Fangen Sie an, in Generationen zu denken und nicht nur bis zur Landtagswahl“, appellierte der finanzpolitische AfD-Fraktionssprecher Rainer Podeswa an die Landesregierung. „Die Landesregierung hat sich noch mal kurz zusätzliche sieben Milliarden Euro für den Wahlkampf gegönnt und die Wahlgeschenke mit der Aufschrift ‚Corona‘ versehen, um sie für das Parlament aufzuhübschen.“
Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) widersprach. Die Aufforderung sei unnötig, denn „wir denken schon lange in Generationen“. Sie verwies auf die landesspezifische Umsetzung der Schuldenbremse, die bereits Wirkung zeige und „in dieser schwierigen Lage in diesem Jahr schon richtig geholfen“. Sie ging auf die Pensionsrückstellungen ein. Die „nachhaltige und generationengerechte Haushaltspolitik“ habe „leider viel zu spät begonnen“. Über viele Jahrzehnte habe es für die Verpflichtungen, die man eingegangen ist, keine Rückstellung gegeben. „Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir Ende dieses Jahres fast neun Milliarden Euro an Vorsorge für Pensionen haben.“
Der finanzpolitische Sprecher der FDP, Stephen Brauer, klagte: „Nicht überall, wo Corona draufsteht, ist Corona drin ist.“ Es verstoße gegen den Sinn der Schuldenbremse, wenn die Koalition Schulden über den Konjunkturausgleichmechanismus aufnimmt, die in so hohem Maße über die erwarteten Steuermindereinnahmen hinausgehen. 3,6 Milliarden Mindereinnahmen würden erwartet, 6,4 Milliarden habe sich die Koalition an Schuldenaufnahme bewilligt: „Das hat nichts mehr mit einem Haushaltsausgleich zu tun.“
Peter Hofelich (SPD) verwies auf die weiterhin hohen Haushaltsreste. Diese hätten sich in den vergangenen zehn Jahre vervierfacht, „und sie sind allein schon im Übergang von 2018 zu 2019 auf 5,6 Milliarden Euro gewachsen. Sitzmann gelobte Besserung, was aber nicht immer ganz einfach sei, etwa, „wenn in Breitbandaufbau Zuschüsse gewährt aber nicht abgeflossen sind“.