Stuttgart. Als wichtige Ressource für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg haben in einer aktuellen Landtagsdebatte Vertreter aller Parteien die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in den Südwesten bezeichnet und deren berufliche und soziale Integration als eine der wichtigsten Aufgaben der Landespolitik bezeichnet. Anlass der von der FDP beantragten Debatte war das mehrheitliche Votum der Schweizer Bürger für eine Einschränkung der Zuwanderung.
Neben dem FDP-Abgeordneten Andreas Glück übten auch Daniel Lede-Abal (Grüne), Peter Hofelich (SPD) und Europaminister Peter Friedrich (SPD) Kritik an den Äußerungen von CDU-Fraktionschef Peter Hauk, der Verständnis für das Votum der Schweiz gezeigt hatte. Der CDU-Politiker hatte zudem mehr Integrationsbereitschaft von Zuwanderern gefordert und geäußert, die Argumente der Schweizer Zuwanderungsgegner in Teilen unterschreiben zu können.
„Ist es wirklich richtig, dass die direkte Demokratie immer die bessere ist?“, fragte Glück. „Die Schweiz zeigt, dass unsere repräsentative Demokratie auch Vorteile hat, wir sollten sie nicht schlechter reden, als sie ist.“ Glück sagte, es sei richtig gewesen, dass die EU sofort reagiert und der Schweiz zu verstehen gegeben habe, dass sie nicht nur dort mit der EU zusammenarbeiten könne, wo es ihr gefalle. An den CDU-Fraktionsvorsitzenden Hauk gerichtet, sagte Glück: „Ich würde da nichts unterschreiben.“ Manchmal sei es nicht nur wichtig, wo man stehe, sondern auch, in welche Richtung man sich bewege. Der FDP-Politiker kritisierte zudem, dass zu viel über mögliche Probleme durch Zuwanderer geredet werde und zu wenig über diejenigen, die so erfolgreich integriert seien, dass man ihren Migrationshintergrund gar nicht mehr bemerke. „Baden-Württemberg ist ein Einwanderungsland und die Integration in Baden-Württemberg läuft seit vielen Jahren erfolgreich.“ Allerdings seien klare Regeln für die Zuwanderung nötig. Auch über eine Steuerung der Zuwanderung müsse nachgedacht werden.
CDU-Fraktionschef Hauk, der auf die Kritik nicht weiter einging, positionierte sich ebenfalls deutlich pro Zuwanderung: „Wir brauchen Zuwanderer in Baden-Württemberg – und deshalb auch eine Integrationspolitik.“ Allerdings brauche gelungene Integration auch die Akzeptanz der Bevölkerung. „Die Freizügigkeit in der EU ist eine Chance und niemand will sie einschränken“, sagte Hauk, „aber Freizügigkeit heißt nicht Armutseinwanderung.“ Zudem brauche die Politik den Mut, die Einwanderung nach Bedarf zu steuern – ähnlich dem Punktesystem in Kanada.
Das Votum der Schweiz nannte Hauk einen Warnschuss für Deutschland und die Politiker in Deutschland. „Das passiert, wenn die Politik keine Antworten liefert. Wir sind aufgefordert, die Gesellschaft mitzunehmen und auszusprechen, wenn es Probleme und Sorgen gibt“, verlangte Hauk. Die Politik solle klare Voraussetzungen für die Zuwanderung formulieren: Spracherwerb, Respektierung der Gesetze und die Bereitschaft, sich nicht abzuschotten und keine Parallelgesellschaft aufzubauen. Der baden-württembergischen Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) warf Hauk vor, die Asylbewerber im Land nur zu verwalten und nicht zu handeln.
Für Daniel Lede-Abal (Grüne) bediene Hauk mit seinen Äußerungen dagegen lediglich Stimmungen, um ein Profilthema vorzuweisen. „Ich fordere Sie auf, diesen Weg zu verlassen und im Interesse der Wirtschaft hier im Land zu handeln“, so Lede-Abal. „Wir empfangen Signale von Unternehmen, die händeringend Arbeitskräfte suchen, dieses Thema nicht zu verschärfen.“ Der Grünen-Abgeordnete bezeichnete das Wort „Armutszuwanderung“ zudem ein "in die Irre führender Begriff“. Viele Zuwanderer aus Osteuropa seien Akademiker und Fachkräfte und nicht häufiger arbeitslos als andere Zuwanderer.
Der Mittelstandsbeauftragte Peter Hofelich (SPD) forderte, sich Gedanken darüber zu machen, wie Baden-Württemberg künftig attraktiver für Zuwanderer werden kann. „Wir sollten nicht nur den Fachkräftemangel bedienen, sondern ein Klima der Weltoffenheit schaffen“, so Hofelich. Der Ausbau der Willkommenskultur im Land sei nötig. Die Initiative der Landesregierung elf Welcome-Center zu schaffen, wo Zuwanderern aus einer Hand bei vielen Belangen des täglichen Lebens geholfen wird, sei eine gute Sache für das Land. „Die Zukunft von Baden-Württemberg ist nicht nur der Export, sondern der Standort für internationale Wirtschaft.“ Baden-Württemberg solle für Weltoffenheit werben und eine klare Haltung in Sachen Toleranz einnehmen.
Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) zeigte sich erfreut darüber, dass in der Debatte die Zuwanderung parteiübergreifend als wichtig für das Land angesehen wurde. Die Attraktivität des Standorts mache sich allerdings nicht nur an den Verdienstmöglichkeiten fest. „Wir tun viel, wir haben das Anerkennungsgesetz auf den Weg gebracht und die Hilfe für Zuwanderer gebündelt“, sagte Öney, die alle Landtagsparteien zum gemeinsamen Vorgehen bei der Integrationspolitik aufrief. Europaminister Peter Friedrich (SPD) bezeichnete die Abstimmung in der Schweiz deshalb als problematisch für Baden-Württemberg, weil das Land wirtschaftlich eng mit der Schweiz verflochten sei.