Stuttgart. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) erwartet eine weitere Ausbreitung des Coronavirus, sieht er keinen Grund zur Panik. Dies sagte er am Mittwoch im Landtag. Bei den bislang 44 in Baden-Württemberg bekannt gewordenen Fällen sei die Krankheit milde verlaufen. Die Infektionsketten konnten nach seinen Angaben überwiegend nachvollzogen werden. Betroffen seien vor allem „Kleincluster“, also Kleingruppen und Familien.
Bestätigt sieht Lucha das „einzelfallorientierte Handeln“ der Regierung in der Einstufung der Gefahrenlage durch das Robert-Koch-Institut. „Unser Ziel ist nach wie vor die frühe Erkennung und Eindämmung der Ausbreitung“ mit häuslicher Quarantäne. Es wandte sich gegen Alarmismus. Es gelte, die Menschen auch vor unnötiger Panikmache und Fake-News zu schützen.
Für absolut notwendig hält der Minister, „das öffentliche Leben mit all seinen Funktionen aufrechtzuerhalten“. Das „Allerwichtigste“ für ihn ist die Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln: regelmäßiges Händewaschen, Abstand halten und nicht ins Gesicht greifen.
Er stellte das gesamte Maßnahmenbündel der Landesregierung vor, lobte, „dass sich die Leute an die empfohlenen Maßnahmen halten und sich nicht in die Arztpraxen setzen“, sondern zu Hause bleiben, Kontakte meiden und den Arzt anrufen. Er kündigte an, dass in Kooperation mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Reserven bei der knappen Schutzkleidung mobilisiert werden. „In Bälde haben wir die Schutzkleidung“, versprach Lucha.
Als wichtigen Schritt sieht Lucha das mit dem Innenministerium entwickelte Durchführungsschema für die Ortspolizeibehörden. Er setzt auf die Zusammenarbeit mit der kassenärztlichen Vereinigung, den Krankenhäusern und der Landesärztekammer, die 7000 pensionierte Ärzte aktivieren will. Wer aus einem Risikogebiet komme, gelte automatisch als Verdachtsfall, sagte Lucha und verwies auf eine Hotline (0711 90439555) bei dringenden Fragen.
Auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch warnte vor Panikmache. „Wir brauchen ein Gemeinwesen, das Menschen Sicherheit verspricht“, sagte er angesichts der Unsicherheit der Bevölkerung. Er will aus der aktuellen Situation Lehren ziehen. Deutlich geworden sei, dass „unser Gesundheitssystem nicht optimal ausgestattet ist“. Nachbarländer hätten ein dichteres Netz an Infektionsstationen, sagte er.
Er prangerte „den schlechten Schutz an, weil uns Medikamente und Produkte fehlen“. Entschieden forderte er deshalb „manche Fertigung nach Europa zurückzuholen und nicht nur auf Discounterpreise zu achten“. Er betonte: „Wenn wir uns in Abhängigkeit begeben, haben wir keine Chance, schnelle Hilfe zu leisten“.
Auch Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz will prüfen, wie künftig in Baden-Württemberg Arzneimittel hergestellt werden können. Für ihn stellt sich die Frage“, wie wir die heimische Arzneimittelproduktion stärken können?“. Er bekräftigte, dass „Panikmache und Hamsterkäufe fehl am Platz sind“. Alle sinnvollen Maßnahmen seien ergriffen worden. Er will Liquiditätsspielräume von kleineren und mittleren Unternehmen sichern. Schwarz rief dazu auf, „sich nicht verunsichern zu lassen und zweifelhaften Social-Media-Quellen zu vertrauen“. Ein „wichtiges Signal“ ist für ihn die Einrichtung von 84 Notfallpraxen. „Den Plan für mobile Dienste begrüßen wir“, sagte er. Ausdrücklich stellte sich Schwarz gegen die Anfeindung von Kranken.
Für die CDU-Fraktion begrüßte Stefan Teufel die Maßnahmen der Regierung. Wichtig ist für ihn „das Bedürfnis der Bevölkerung nach Transparenz und Orientierung“. Als entscheidend für die Fraktion nannte er drei Punkte: Der Pandemieplan sei ständig anzupassen, die Qualität und Erreichbarkeit des Gesundheitswesens zu gewährleisten und der Bevölkerungsschutz müsse in den Fokus genommen werden. Entschieden wandte er sich gegen Hamsterkäufe von Produkten wie Schutzbrillen und Desinfektionsmitteln, die in Arztpraxen benötigt würden. „Wir müssen das medizinische Personal angemessen schützen“.
AfD-Fraktionschef Bernd Gögel sieht ein „Versagen der Landesregierung“ an. Diese hätte schon Anfang Dezember 2019 schnell und umfassend über Schutzmaßnahmen informieren müssen. Sie habe nichts gegen Ansteckungsgefahren unternommen. „In einer globalisierten Welt ist es eine Frage von Stunden und Tagen, dass sich eine Epidemie ausbreitet“, betonte er. „Sie behandeln die Symptome auf niederstem Niveau“, warf er der Regierung vor. Gögel forderte: „Die Eigenproduktion von wichtigen Wirkstoffen und Medikamenten muss wieder nach Deutschland zurückgeholt werden“.
Jochen Haußmann (FDP) plädierte dafür, der Wissenschaft zu vertrauen. Auch er beklagte den erheblichen Mangel an Atem- und Schutzbekleidung und forderte, sich besser zu rüsten für künftige Fälle. Er sieht Bedarf für ein Aktivprogramm für die Wirtschaft.
Das Ex-AfD-Mitglied Heinrich Fiechtner beklagte, dass die Ärzte im Stich gelassen würden. „Praxen müssen schließen, weil Desinfektionsmittel ausgehen“. Dies sieht er als „Ausdruck eines eklatanten Versagens“. Er erwartet, „dass Lucha zurücktritt und durch eine kompetente Person ersetzt wird“.