Stuttgart. Alternative Methoden zu Tierversuchen, das Vier-Augen-Prinzip bei Rektoratsentscheidungen und rechtssichere digitale Prüfungen: Der Landtag hat am Mittwoch ein Bündel von neuen Regelungen für die Hochschulen verabschiedet.
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) machte deutlich, dass und wie sie die Hochschullandschaft durch diese zweite Novelle in der Legislaturperiode gerüstet sieht für die Herausforderungen einer sich ständig verändernden Welt. So seien als Reaktion auf die Pandemie Fristverlängerungen für Prüfungen, aber auch eine Verlängerung der Regelstudienzeit jetzt möglich.
„Es werden mehr als 100 Punkte neu gefasst“, erläuterte Marion Gentges (CDU), die einerseits die Kompromisse lobte, zugleich aber bedauerte, dass die Koalition zu Tierversuchen keine Einigkeit erzielen konnte. Durch die beschlossenen Ausnahmen dürfe nicht der Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg gefährdet werden. „Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens haben uns viele Appelle erreicht“, so die wissenschaftspolitische Sprecherin, „und ich hätte mich gefreut, wenn wir uns gemeinsam hinter der Wissenschaft hätten vereinen können.“ Leider sei ihr und der Wissenschaft dieser Weihnachtswunsch durch den Koalitionspartner versagt geblieben. Jetzt müssten genau auf die Auswirkungen der Ausnahmereglungen geachtet werden, „weil wir auf beste Lehre und beste Wissenschaft nicht verzichten können“.
STUDENTEN SOLLEN ALTERNATIVEN ZU TIERVERSUCHEN GEBOTEN BEKOMMEN
Für die Grünen verteidigte Alexander Salomon (Grüne), dass Studierenden „alternative Methoden“ zu Tierversuchen angeboten würden. Das sei in anderen Länder bereits üblich und angemessen. Die Landesregierung habe die Regelung mit „Bedacht und Weitsicht“ getroffen. Auch Bauer empfahl, die Neuregelungen „erst einmal in der Praxis anzuschauen“. Es sei doch selbstverständlich, dass die Landesregierung dem Wissenschaftsstandort nicht schaden wolle. Es sei aber auch notwendig, Studierenden ein Wahlrecht zu eröffnen, „die wissen wollen, ob und wo es Alternativen zu Tierversuchen gibt".
Grundsätzlich mahnte Salomon an, in der momentanen Situation, in der so viel über Kinder und Eltern gesprochen werde, auch die Studierenden stärker ins Blickfeld kommen müssten. Seine Fraktion bekomme viele E-Mails und Anrufe. Studierende hätten Sorgen, wie es in ihrem zweiten, aber auch im dritten oder vierten Semester weitergehe. Auch deshalb sei es gut und richtig, Online-Prüfungen auf eine rechtlich sichere Basis zu stellen. „Wir können Ihnen in einem zustimmen: Den Studierenden geht es in der Pandemie nicht gut“, sagte Gabi Rolland (SPD), die sich bei Salomon ausdrücklich bedankte, weil er diese Lage auch angesprochen habe.
Zugleich kritisierte die Freiburger Abgeordnete, wie im Gesetzgebungsverfahren mehrere Fragen nicht schlüssig beantwortet worden seien: „Zum Beispiel, warum ein Verhüllungsverbot an den Hochschulen nötig sein soll, da die Ministerin ja sogar bestätigt hat, dass es keine Konflikte gibt.“ Präventiv eine mögliche Gefahr abzuwenden, die kein Mensch sehe, habe die Koalition „wahrscheinlich auch dabei geleitet, den Verfassten Studierendenschaften das Recht zu nehmen, sich so zu organisieren, wie es für sie richtig ist“. Das sei nicht in Ordnung, zumal auch hier „keine Hochschule genannt werden konnte, wo es kein nach demokratischen Grundprinzipien organisiertes studentisches Zentralorgan gibt“. Die SPD kritisiere, dass es zwar neue Anforderungen gebe, nicht aber die nötigen Ressourcen. Bauer wies diesen Vorwurf vehement zurück und erinnerte an die 3000 Stellen, die neu geschaffen oder entfristet würden.
FDP ÄUßERT ZWEIFEL AN DER NOVELLE
Schlussendlich angenommen wurde die Novelle nur den Stimmen von Grünen und CDU. Für die FDP hatte ihr wissenschaftspolitischer Sprecher Nico Weinmann verlangt, die Novelle zurückzuziehen. Es handle sich um eine „nicht zustimmungsfähige Gesetz-Chimäre“, die bereits mehrfach habe nachgebessert werden müssen, etwa zur Online-Prüfung. „Grünen und die CDU stümpern ohne roten Faden im Hochschulrecht herum und richten dabei beträchtlichen Schaden an“, so Weinmann. Die versammelte Hochschul-Community habe der Landesregierung in den letzten Wochen und Monaten deutlich gemacht, dass nahezu alle Aspekte der geplanten Novelle für die Hochschulen untauglich oder gar schädlich seien.
Bernd Grimmer (AfD) begrüßte dagegen einzelne Vorschriften, etwa für Rektoren oder die Festschreibung der kaufmännischen Buchhaltung. Insgesamt seien aber viele Dinge „nicht durchdacht, schlechtgemacht oder ideologiegeleitet und damit höchstproblematisch“.