Stöckle: Situation an der Hochschule ist eskaliert, weil Ministerium nichts getan hat

09.04.2018 
Von: schl
 
Redaktion
 
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Stuttgart. Der Untersuchungsausschuss "Zulagen Ludwigsburg" des Landtags setzt am diesem Montag die Befragung der ehemaligen Rektorin Claudia Stöckle fort. Sie hatte die Vorgänge rund um die rechtswidrigen Zulagen für 13 Professoren an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg aufgedeckt und war 2015 von Hochschulrat und Senat abgewählt worden. Die Zulagen waren noch von ihrem Vorgänger gewährt worden.

In den Befragungen durch die Ausschussvorsitzende Sabine Kurtz (CDU) und den SPD-Obmann Sascha Binder (SPD) machte Stöckle erneut deutlich, dass ihrer Ansicht nach, Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) ein Disziplinarverfahren gegen den ehemaligen Rektor und den ehemaligen Kanzler, die beide in Ruhestand sind, hätte einleiten müssen. Auch zum Schutz der beiden, damit diese sich zu den Vorwürfen hätten äußern können.

Stöckle wies darauf hin, dass Grundlage dafür Paragraf 8 des Landesdienstrechts ist. Darin heißt es: "Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, leitet die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren ein und macht dies aktenkundig." Zudem hätte in Bauers Ermessen gelegen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Immerhin sei es um die Frage gegangen, ob das Altrektorat Gelder von jährlich rund 300 000 Euro veruntreut habe. Auf die Frage von Kurtz, ob Stöckle nicht selbst die Staatsanwaltschaft hätte einschalten können, wie vom Ministerium zuvor behauptet, sagte Stöckle: Wenn sie nachdem sie das Ministerium über die Vorgänge informiert hätte, sich an die Staatsanwaltschaft gewandt hätte, wäre dieses "grob ungehörig" und die "Missachtung meiner Dienstvorgesetzten" gewesen.

Stöckle: Bauer hätte reagieren müssen

Stöckle machte erneut deutlich, dass die Situation an der Hochschule vor allem auch deshalb eskaliert sei, weil das Ministerium nichts gemacht habe. Auch sprach sie die Verhältnismäßigkeit des Handelns im Ministerium an. So wurde sie in ihrer Zeit als Rektorin angewiesen, ein Disziplinarverfahren gegen eine Professorin einzuleiten, nachdem es einen Hinweis darauf gegeben hatte, dass diese Frau an einem Tag, als sie krank war, möglicherweise eine Nebentätigkeit ausgeübt hätte. Ein Vorwurf der sich nach Angaben Stöckles als falsch erwies. Doch um so mehr hätte Bauer im Fall des ehemaligen Rektors reagieren müssen, so Stöckle.

Stöckle sprach auch davon, dass Wissenschaftsministerin Bauer ihr nach der Arbeit der Hochschulkommission angeboten habe, aus dem Bericht die belastenden Passagen zu ihrer Person herauszunehmen, wenn sie freiwillig aus dem Beamtenverhältnis ausscheide. Eine entsprechende Aussage findet sich nach Angaben von Binder auch im Regierungsbericht an den Untersuchungsausschuss. "Das war aus meiner Sicht eine Ungeheuerlichkeit", so Stöckle. Sie sei fassungslos gewesen. Die Ministerin habe ihr aus einem Entwurf vorgelesen. Die Stellen, die ihr vorgetragen wurden, bezeichnete Stöckle als mit den Akten nicht übereinstimmend. Das habe nicht der Situation an der Hochschule entsprochen. Sie habe die Ministerium darum gebeten, den Bericht lesen zu dürfen. Das sei ihr verweigert worden. Später konnte sie den Bericht dann in Anwesenheit eines Ministeriumsmitarbeiters für rund 1,5 Stunden einsehen und sich auch Notizen machen.

Auf Anfrage der Grünen-Abgeordneten Nese Erikli, was sie denn dazu sagen würde, dass sie die Prozesse gegen das Ministerium verloren habe, machte Stöckle deutlich, dass Akten, die für ihre Beweisführung notwendig gewesen seien, nicht vorgelegt worden seien. "Wir haben immer wieder Akten und Protokolle angefordert", so Stöckle. Erst nachdem die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs rechtmäßig geworden sei, habe man von den Kommissionsmitgliedern die Akten angefordert. Sie warf dem Ministerium vor, Gedächtnisprotokolle der Kommissionvertreter zu Gesprächen an der Hochschule gezielt mit dem Hinweis auf Informantenschutz zurückgehalten zu haben. Auch machte Stöckle auf Anfrage des FDP-Obmanns Nico Weinmann deutlich, dass die Ministerin bis heute die Antwort auf den Vorwurf schuldig sei, wo Stöckle angeblich haufenweise Fehler gemacht habe und diese klar zu definieren.

Obleute kommen zu unterschiedlicher Bewertung

In der abschließenden Bewertung der Aussagen Stöckles kamen die Obleute im Untersuchungsausschuss zu unterschiedlichen Bewertungen. Für Thomas Hentschel (Grüne) hat sich an der Ausgangslage nichts geändert. Das Ministerium habe Stöckle in vollem Umfang unterstützt. Auch bei der Führungskrise habe es die ehemalige Rektorin zunächst gestützt. Er erklärte erneut, dass es aufgrund eines Schriftverkehrs, der bereits mehrfach im Ausschuss diskutiert worden war, für das Ministerium keine Zweifel gegeben habe, dass alle Wechselfälle rechtmäßig umgedeutet werden konnten.

Dem steht allerdings eine E-Mail aus den Regierungsakten entgegen, auf die Sascha Binder in der Befragung Bezug nahm. Darin hatte eine Ministeriumsmitarbeiterin in Vorbereitung auf die Beantwortung einer FDP-Landtagsanfrage Ende 2014 geschrieben, dass sich im Zusammenhang mit weiteren Schreiben des Schriftverkehrs, die Vermutung aufdränge, dass Stöckle nur zu den vier Normkurvenfällen Stellung genommen habe, nicht jedoch zu den 13 Wechslern, denen Vertrauensschutz gewährt worden war, die jedoch nicht als rechtmäßig umgedeutet werden konnten. In der Antwort des Wissenschaftsministeriums auf die FDP-Anfrage stand davon allerdings nichts.

Marion Gentges (CDU) sprach von schweren Vorwürfen, die Stöckle gegen das Wissenschaftsministerium und Ministerin Bauer erhoben habe. Stöckle sehe sich als Opfer, bei ihr sei ein hohes Maß an persönlicher Betroffenheit vorhanden. Sie wies darauf hin, dass Stöckle zwar kritisiert habe, dass das Ministerium kein Disziplinarverfahren gegen den ehemaligen Rektor und den ehemaligen Kanzler eingeleitet habe, zugleich aber in einem Fall im Zusammenhang mit einem von einem Professor und seiner Frau an der Hochschule betriebenen Buchladen ohne Nebenerwerbsgenehmigung ebenfalls darauf verzichtet habe. Stöckle hatte dies eingeräumt. Sie habe es zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der schwierigen Situation an der Hochschule nicht eingeleitet. In einem anderen Fall hingegen hatte sie, auch zum Schutz von anderen Professoren, ein Verfahren eingeleitet.

Weinmann: Stöckle war Bauernopfer

Nico Weinmann (FDP) machte deutlich, dass Stöckle - anders als Bauer, die der ehemaligen Rektorin alle Verantwortung für die Führungs- und Vertrauenskrise an der Hochschule zugewiesen habe - die Situation deutlich differenzierter betrachtet habe. Für ihn wurde deutlich, dass die Diskussion um die Führungs- und Vertrauenskrise an der Hochschule dadurch entfacht und verstärkt wurde, dass die Ministerin, obwohl "rechtlich geboten und zuständig" nicht eingeschritten ist. Stöckle sei ein Bauernopfer gewesen.

Rainer Podeswa (AfD) zeigte sich erstaunt, dass das Ministerium gerade auch bei der Kaderschmiede für Beamte und angesichts des Vorliegens von zwei Gutachten, die von Rechtswidrigkeit sprechen, nicht eingeschritten ist. Er sah es als eklatantes Versagen des Ministeriums, in dieser Situation die Rechtsaufsichtspflicht nicht wahrzunehmen. Auch kritisierte er, dass das Ministerium ein neues Gutachten, das der jetzige Rektor der Hochschule in Auftrag gegeben hatte, dem Untersuchungsausschuss nicht zur Verfügung stellen will, obwohl man sich im Ministerium sonst immer auf die Hochschulautonomie berufe. Dies stehe auch im eklatanten Widerspruch Bauers, sie wolle das Geschehen mit voller Transparenz aufklären.

Sascha Binder (SPD) sprach von einem Zustand des Mobbing an der Hochschule auf höchstem Niveau - mit Unterstützung des Ministeriums und der Ministerin an der Spitze. Er wies darauf hin, dass umgehend nach einer Resolution der Fakultätsvorstände in der Vorwürfe gegen Stöckle erhoben wurde, die sich am Ende als nicht haltbar erwiesen,  das Ministerium mit folgendem Vermerk am 19. März 2014 reagiert habe: "Es kann nicht hingenommen werden, dass die Rektorin an allen Stellen der Hochschule zündelt und dann der Flächenbrand vom MWK gelöscht werden muss." Stöckle hatte man zu diesem Zeitpunkt zu den Vorwürfen in der Resolution noch nicht angehört. Auch die Tatsache, dass die Resolution gegen das Dienstrecht verstieß, wurde nicht thematisiert.

Binder sprach von "Vorverurteilung". Wie von einem Ministerium eine Rektorin, ohne ein dienstliches Vergehen begangen zu haben, so diskreditiert werden könne, sei sicher einmalig in der Geschichte des Landes. Die Diskreditierung werde auch durch den Grünen-Obmann Hentschel fortgesetzt, so Binder mit Blick auf den gedruckten Sprechzettel des Abgeordneten. Das Urteil der Grünen habe offensichtlich bereits vor Abschluss der Zeugenvernahme festgestanden. Denn die Abgeordneten gaben ihre Stellungnahmen direkt im Anschluss an Zeugenvernahme ab, ohne Pause dazwischen.

Binder kündigte an, dass er fordern wolle, dass Ministerin Bauer zur nächsten nichtöffentlichen Sitzung des Ausschusses kommen solle. So könne die Zusammenarbeit nicht funktionieren. Von der angekündigten Transparenz habe er bislang nichts gemerkt.


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