Stuttgart. Mit der Änderung des Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes will die grün-schwarze Landesregierung neue Regelungen schaffen, die „sich voraussichtlich positiv auf die Zielbereiche ‚Wohl und Zufriedenheit‘ und ‚Chancengleichheit‘ auswirken“. Wie es in der Begründung weiter heißt, wird damit das Ziel verfolgt, die Höchstaltersgrenze von 45 Jahren für die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk für die rund 19 000 Rechtsanwälte in Baden-Württemberg abzuschaffen.
„Damit wird europarechtlichen Bedenken Rechnung getragen“, so der zuständige Justizminister Guido Wolf (CDU). In einer Reihe von Ländern seien solche Grenzen bereits beseitigt. Zugleich werde das Versorgungswerk aber in Stand gesetzt, Ausnahmen in der Satzung festzulegen, die allerdings nicht starr sein dürften, und Regelungen für Ältere zu treffen. Wolf nannte das Versorgungswerk für Steuerberater als Beispiel, das eine Altersgrenze von 65 festgeschrieben habe.
„Die Änderung wurde auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes nötig“, erläuterte Jürgen Filius (Grüne). Bisher sei die Ungleichbehandlung als vereinbar betrachtet worden, auch um die finanzielle Stabilität von Versorgungswerken zu gewährleisten. Inzwischen bestünden aber auch beim Bundesgesetzgeber nicht nur Zweifel, sondern auf Bundesebene seien entsprechende Veränderungen auch bereits vorgenommen worden. „Aber“, so Filius, „eine finanziell stabile Versorgung muss sichergestellt sein.“ Deshalb seien auch künftig Grenzen möglich, die aber höher liegen müssten.
„Versorgungsfragen sind immer heikle Fragen“, sagte Stefan Scheffold (CDU), der selber Rechtsanwalt ist. Deshalb müsse sehr gründlich geprüft werden, ob Änderungen sachdienlich und angemessen seien. Scheffold erläuterte, dass die Höchstgrenze versicherungsmathematische Gründe gehabt und sich auch bewährt habe. Veränderungen müssten mit einem gewissen Fingerspitzengefühl gemacht werden. Andere Länder hätten aber bereits entsprechende Beispiele geliefert.
Die AfD reagierte auf die Einbringung des Gesetzes mit einer neuerlichen Warnung „vor der Diktatur der EU“. Willfährig würden Regelungen gleichgeschaltet, so der Rüdiger Klos. Seine Fraktion sehe Zwangsregelungen grundsätzlich kritisch. Wenn sich der Staat anmaße, bestimmte Gruppen in Zwangskollektiven zusammenzufassen, dann müssten Kammer und Versorgungswerke aber zumindest eigenständig entscheiden. Die Vertreterversammlung sei die einzig richtige Instanz. Stimme sie zu, dann werde dies auch seine Fraktion tun.
„Aus dieser Rede werde ich nicht schlau“, reagierte Sascha Binder (SPD) auf Klos' Äußerungen. Denn das Gesetz schränke ja gerade nicht ein, sondern gebe die Möglichkeit, in der Selbstverwaltung passgenau Regelungen zu finden. Binder, wie Scheffold, Filius und Nico Weinmann (FDP) auch selbst Anwalt, kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an.
Weinmann lobte den Gesetzentwurf ebenfalls als sinnvoll und sachdienlich. Für ihn könne es dahingestellt bleiben, ob bisherige Regelungen gegen EU-Recht verstießen, denn die ins Auge gefassten Veränderungen brächten keine Verschlechterungen. Die Selbstverwaltung der Versorgungswerke nannte er „ein Stück Bürgergesellschaft“. Im Unterschied zur staatlichen Rente, die mittlerweile jährliche Zuschüsse aus dem Steueraufkommen in Höhe von fast 100 Milliarden Euro erhalte, müsse die Altersvorsorge der Rechtsanwälte ohne diese Zuschüsse auskommen. Entsprechend wichtig sei „die sichere und gewinnbringende Anlage der Beiträge der Rechtsanwälte". Und dann kam der FDP-Abgeordnete noch auf die „verfehlte Europolitik mit ihren Niedrigzinsen" zu sprechen, die dies erheblich erschwere. Versorgungswerke, Bürger und Stiftungen könnten kaum noch in sichere Geldanlagen investieren, „wenn sie ausreichend Erlöse für ihre Renten oder Stiftungszwecke erwirtschaften wollen".