Stuttgart. Innenminister Reinhold Gall (SPD) hält Waffenverbotszonen – wie etwa in der Innenstadt von Hamburg praktiziert – in Baden-Württemberg – auch angesichts der jüngsten Aufmärsche und Auseinandersetzungen in Stuttgart und Ludwigsburg nicht für nötig. Die Landesregierung setze auf „personenbezogene Waffenverbote“, machte er in der Debatte über „Null Toleranz bei der Rockerkriminalität“ am Donnerstag im Landtag deutlich. Das sei der Lage in Baden-Württemberg angemessen und „wesentlich erfolgversprechender“ sagte der Innenminister.
Dabei strebe er künftig auch präventive Waffenverbote an: „Das ist unser Ziel“. Denn angesichts von 1200 Mitgliedern von Rockervereinen sowie weiteren 800 in rockerähnlichen Gruppierungen gebe es im Südwesten – so Nikolaos Sakellariou (SPD) – und insgesamt 83 Niederlassungen sei Rockerkriminalität „kein Randthema“ – so Gall.
Kriminelle Rocker „begehen schlimmste Straftaten“, sagte Sakellariou: Waffengeschäfte, Drogen- und Menschenhandel zählten zu ihren illegalen Geschäftsfeldern. Er wies zudem auf die Nähe mancher Szenegrößen zum rechtsextremen Milieu hin. In Mannheim etwa sei das Clubheim einer Rockervereinigung oft Veranstaltungsort von Skinheadkonzerten, die ein NPD-Stadtrat organisiere.
Was die Regierung gegen Rockerkriminalität unternehme? Das Verbote des Tragens von Kutten in der Öffentlichkeit und – wo möglich – Vereinsverboten zählten zu den Maßnahmen, die bereits getroffen worden seien. Sakellariou wie Innenminister Gall und der Innenexperte der Grünen, Uli Sckerl, wiesen darauf hin, die Polizeistrukturreform von Grün-Rot leiste hier einen wichtigen Beitrag. Denn mit den neuen speziellen Sachbearbeitern für dieses Phänomen in den Polizeipräsidien sei mittlerweile ein flächendeckendes Netzwerk zur Bekämpung der Rockerkriminalität geschaffen worden.
Allein sechs Ermittlungsverfahren zu Delikten wie Menschenhandel, Betäubungsdelikten und Waffenhandel seien derzeit im Gang. „Wir machen diesen Leuten das Leben schwer“, ist Gall überzeugt.
Thomas Blenke (CDU) versicherte dem Innenminister, in dieser Frage sei die größte Oppositionsfraktion mit ihm einig. Schon im Jahr 2004 habe der damalige CDU-Innenminister Heribert Rech im Übrigen eine „entsprechende Konzeption“ gegen Rockerkriminalität vorgelegt. Dass die Polizei vor den jüngsten Aufmärschen sein durch Hinweise des Landesverfassungsschutzes zeige, dass diese Einrichtung – anders als die Grünen meinten – „auch in diesem Bereich unverzichtbar ist.“
Warum aber überhaupt eine Landtagsdebatte über ein Thema, bei dem sich inhaltlich alle einig seien?, fragte Blenke und gab die Antwort gleich selbst: „Um zu zeigen, wir haben uns alle lieb – sogar die SPD und die Grünen“, die sich sonst in Fragen der inneren Sicherheit oft uneins seien, meinte für die größte Oppositionsfraktion Thomas Blenke (CDU). Für den Innenminister sei dies zudem, so Blenke weiter, „eine willkommene Ablenkung von Pleiten, Pech und Pannen“ auf anderen Feldern: etwa der Einbruchs- und Diebstahlskriminalität und bei den NSU-Ermittlungen im Südwesten.
Uli Sckerl (Grüne) wandte sich dagegen, in dieser Debatte die gesamte Innenpolitik zu thematisieren. Tue man dies aber, so ließe sich etwa darauf hinweisen, dass beispielsweise die Einbruchskriminalität im CSU-regierten Bayern im vergangenen Jahr noch deutlich stärker zugenommen habe als im Südwesten.
Für die FDP-Fraktion bezweifelte der frühere Justizminister Ulrich Goll die angeblich neue Dimension der Rockerkriminalität. Er frage sich, ob die Landesregierung damit nicht einen Popanz aufbaue und unnötig Ängste in der Bevölkerung schüre. Goll bemängelte „schwammige Zuordnungskriterien“ beim Versuch, dies als eigenständiges Phänomen der Kriminalität zu identifizieren.
Goll verwies auch auf die ihm zufolge geringe Ausbeute bei jüngst erfolgten Waffenkontrollen im Rockermilieu. Bereits auf Grundlage bestehender Gesetze sei es schwer, legal eine Waffenbesitzkarte zu bekommen. Eine Verschärfung der Rechtslage sei daher nicht nötig.